Nachweis des niedrigeren Werts nach Bestandskraft des Wertfeststellungsbescheids

Kernaussage

Bestandskräftige Wertfeststellungsbescheide der Grundbesitzwerte für Erbschaftsteuerzwecke sind wegen eines später erzielten niedrigeren Verkaufspreises des Grundstücks weder nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO noch nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern.

Sachverhalt

Die Klägerinnen erhielten im Wege einer Schenkung als Miteigentümer jeweils zur Hälfte eine Eigentumswohnung. Das Finanzamt stellte mit Bescheid aus Juni 2011 den Grundbesitzwert für Zwecke der Schenkungssteuer auf ca. 60.000 € fest und rechnete den Wert den Klägerinnen jeweils zur Hälfte zu.

Im September 2011 veräußerten die Klägerinnen die ihnen zugewendete Eigentumswohnung und eine der Klägerinnen die ihr allein gehörende, im selben Objekt befindliche gleich große Eigentumswohnung zum Gesamtpreis von 100.000 €.

Daraufhin beantragten die Klägerinnen, für die zugewendete Eigentumswohnung im Hinblick auf den zeitnah erfolgten Verkauf einen Grundbesitzwert von 50.000 € festzustellen und den bestandskräftigen Feststellungsbescheid dahingehend zu ändern. FA und FG lehnten die Änderung ab.

Entscheidung

Der BFH folgte der Rechtsauffassung von FA und FG und bestätigt, das der Feststellungsbescheid weder nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO noch nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO zu ändern ist.

Ein Beweismittel ist i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nachträglich bekannt geworden, wenn es beim Erlass des zu ändernden Bescheids zwar bereits existierte, aber dem Finanzamt nicht bekannt war. Dagegen scheidet eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO bei einem nachträglich entstandenen Beweismittel aus.

Der zeitnahe Verkauf einer zugewendeten Wohnung ist ein Beweismittel i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, das generell geeignet ist, Rückschlüsse auf den Wert dieser Wohnung zuzulassen. Die Änderung eines bestandskräftigen Feststellungsbescheids kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn der Verkauf der Wohnung schon vor der abschließenden Entscheidung des Finanzamts über die Feststellung stattgefunden hat. In diesem Fall kann der beim Verkauf erzielte Kaufpreis ein nachträglich bekannt gewordenes Beweismittel i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sein. Wird der Kaufvertrag dagegen erst nach der abschließenden Entscheidung über die Feststellung abgeschlossen, liegt ein nachträglich entstandenes Beweismittel vor, das nicht zu einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO führt.

Der Wert der Eigentumswohnung ist auch keine nachträglich bekannt gewordene Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Wird eine Wohnung nach der Wertfeststellung verkauft und ist der erzielte Verkaufspreis niedriger als der festgestellte Wert, wird der Wert der Wohnung aus dem später abgeschlossenen Kaufvertrag abgeleitet. Schlussfolgerungen aller Art sind jedoch keine Tatsachen i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Als neue Tatsachen können deshalb auch nicht die wertbegründenden Eigenschaften der Wohnung angesehen werden.

Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid zu ändern, wenn ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
Ob einer nachträglichen Änderung des Sachverhalts rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt, also bereits eingetretene steuerliche Rechtsfolgen mit Wirkung für die Vergangenheit sich ändern oder vollständig entfallen, ist den Normen des materiellen Steuerrechts zu entnehmen. Beweismittel, die ausschließlich dazu dienen, eine steuerrechtlich relevante Tatsache zu belegen, und die als solche keinen Eingang in eine materielle Steuerrechtsnorm gefunden haben, sind selbst dann kein rückwirkendes Ereignis, wenn sie erst nach Bestandskraft eines Bescheids beschafft werden können.

Der im Streitfall erst nach Eintritt der Bestandskraft der Feststellungsbescheide erfolgte Verkauf der Eigentumswohnung ist kein rückwirkendes Ereignis. Der Verkauf und der erzielte Verkaufspreis sind keine materiell-rechtliche Voraussetzung für den Ansatz eines niedrigeren Grundbesitzwerts. § 198 Satz 1 BewG sieht für Grundvermögen zwar den Nachweis eines gemeinen Werts vor, der niedriger ist als der nach den §§ 179, 182 bis 196 BewG ermittelte Wert. Für den Nachweis ist aber --anders als z.B. beim Zuwendungsnachweis für Spenden nach § 50 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung-- kein bestimmtes Beweismittel gesetzlich vorgeschrieben. Der Steuerpflichtige kann den Nachweis durch verschiedene Beweismittel führen. Ist die Art des Nachweises nicht als materiell-rechtliche Tatbestandsvoraussetzung gesetzlich festgelegt, sind vom Steuerpflichtigen vorgelegte Unterlagen bloße Beweismittel.

Hinweis

Damit lehnt der BFH die gegenteilige Rechtsauffassung des FG Berlin-Brandenburg (Urteil v. 24.03.2010 – 3 K 3285/06, rkr.) ab. Auch die OFD Karlsruhe hatte mit Verfügung v. 05.09.2013 (S 3000/23/S 4606/2) die positive Auffassung vertreten.

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