Neues zur Sozialversicherungspflicht

Hintergrund

Die Frage, wann ein GmbH-Geschäftsführer, der gar nicht oder nur als Minderheitsgesellschafter am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt ist sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist, war in der Vergangenheit Gegenstand unzähliger Gerichtsverfahren vor den Sozialgerichten mit teils stark divergierenden Entscheidungen. Früher wurden selbst Geschäftsführer, die nur in geringem Umfang an der Gesellschaft beteiligt waren als weisungsfrei angesehen, wenn sie aufgrund ihrer Kenntnisse und Erfahrung der „leitende Kopf oder die Seele des Unternehmens“ waren, im Außenverhältnis über weitreichende Befugnisse verfügten und tatsächlich frei hinsichtlich der Dauer und Lage ihrer Arbeitszeit waren.

In mehreren Urteilen aus dem Jahre 2012 hat das Bundessozialgericht allerdings entschieden, dass es nur auf die tatsächliche Rechtsmacht des Gesellschafter-Geschäftsführers ankommt. Der Gesellschafter-Geschäftsführer muss nach der neuen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aufgrund vertraglicher Vereinbarungen verhindern können, dass gegen seinen Willen Entscheidungen getroffen werden können. In der Folgezeit stellte sich die Frage, wie genau diese Rechtsmacht ausgestaltet sein muss. So wurde z.B. vertreten, dass sich eine ausreichende Rechtsmacht auch aus schuldrechtlichen Stimmbindungsverträgen zwischen den Gesellschaftern ergeben kann.

Entscheidungen

Das Bundessozialgericht hat seine Rechtsprechung in zwei aktuellen Urteilen vom 15.3.2018 bekräftigt. In den zu entscheidenden Fällen war der Geschäftsführer mit weniger als 50 % am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt. Der GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer verfügte auch nicht über eine satzungsmäßige Sperrminorität. In einem der Sachverhalte war der Geschäftsführer jedoch durch einen schuldrechtlichen Stimmbindungsvertrag mit den anderen Gesellschaftern davor geschützt, dass gegen seinen Willen Entscheidungen in der Gesellschafterversammlung getroffen werden. Dem Bundessozialgericht reichte die Minderheitsbeteiligung ohne satzungsmäßige (vom Bundessozialgericht als „echte“ oder „qualifizierte“ bezeichnete) Sperrminorität nicht aus, um eine weisungsfreie und damit nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegende Tätigkeit des Geschäftsführers anzunehmen. Eine rein schuldrechtliche Stimmbindungsvereinbarung ist nicht ausreichend, da eine solche gekündigt werden kann.

Konsequenzen

Es dürfte durch die neuen Entscheidungen des Bundessozialgerichts endgültig geklärt sein, dass GmbH-Geschäftsführer nur dann nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen, sondern als weisungsfrei anzusehen sind, wenn sie
  • Gesellschafter sind und
  • durch in der Satzung verankerte Rechte verhindern können, dass gegen ihren Willen Entscheidungen von den übrigen Gesellschaftern durchgesetzt werden können.
Das bedeutet, dass in der Praxis nur die Gesellschafter-Geschäftsführer sozialversicherungsfrei sind, die, falls der Gesellschaftsvertrag für Gesellschafterbeschlüsse eine einfache Mehrheit vorsieht, mindestens 50 % der Stimmrechte innehaben oder, falls der Gesellschaftsvertrag eine qualifizierte Mehrheit vorsieht, über eine in der Satzung verankerte Sperrminorität verfügen müssen.

Nicht ausreichend sind somit rein schuldrechtliche Stimmbindungsabreden. Ebenfalls bedenklich ist eine Gestaltung, in der der Geschäftsführer, der bei der A-GmbH nur Minderheitsgesellschafter ist, bei einer anderen GmbH (B-GmbH) angestellt wird, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer ist und die ihren Geschäftsführer der A-GmbH über einen Dienstleistungsvertrag zur Verfügung stellt. Dieser Fall ist zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt, wird jedoch von den Sozialgerichten kritisch gesehen. Auch hier dürfte nach den Maßgaben des Bundessozialgericht keine Weisungsfreiheit vorliegen.

Gesellschaften, deren Geschäftsführer mit weniger als 50 % an der Gesellschaft beteiligt sind, sollten daher den sozialversicherungsrechtlichen Status des Geschäftsführers überprüfen. Soll der Geschäftsführer zukünftig nicht der Sozialversicherung unterliegen, bleibt als einzige Möglichkeit, ihm über die Satzung eine umfassende Sperrminorität einzuräumen. Die Vergangenheit kann hierüber allerdings nicht korrigiert werden. Zu beachten ist, dass insbesondere in Familiengesellschaften das Einräumen von Sperrminoritäten zu ungewollten steuerlichen Konsequenzen wie z.B. der Begründung einer Betriebsaufspaltung führen kann.

Vertrauensschutz genießen nur die Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer, denen im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens von der Deutschen Rentenversicherung bestandskräftig bestätigt wurde, dass sie weisungsfrei und damit sozialversicherungsfrei tätig sind. Dieser Vertrauensschutz gilt indes nur insoweit, wie nachträglich keine wesentlichen Änderungen eingetreten sind (z.B. Verringerung der Beteiligung am Stammkapital).

Benno Lange

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

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