Anwendungsschreiben zur Betriebsfortführungsfiktion

Hintergrund

Steuerpflichtige haben in den Fällen der Betriebsunterbrechung oder der Verpachtung von sämtlichen wesentlichen Betriebsgrundlagen ein Wahlrecht, ob sie die Aufgabe des Betriebs erklären oder weiterhin den Status Betriebsvermögen beibehalten möchten. Dadurch war die Finanzverwaltung vor Einführung des § 16 Abs. 3b EStG regelmäßig mit dem Problem von unversteuerten Zwangsaufgaben konfrontiert. So gaben Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Veräußerung des Vermögens an, dass sich bereits in einem festsetzungsverjährten Veranlagungszeitraum aufgrund von Veräußerungen, Entnahmen oder Umgestaltungen wesentlicher Betriebsgrundlagen eine Betriebsaufgabe vollzogen hätte und es sich somit bei den Veräußerungsobjekten nicht mehr um Betriebsvermögen, sondern Privatvermögen handele.

Reaktion des Gesetzgebers im Jahr 2011

Mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 führte der Gesetzgeber sodann eine Regelung ein, die im Falle einer schleichenden Betriebsaufgabe die Besteuerung der im Betriebsvermögen ruhenden stillen Reserven sicherstellen soll. So gilt gem. § 16 Abs. 3b EStG ein Gewerbebetrieb, ein gesamter Mitunternehmeranteil oder ein gesamter Anteil eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) in den Fällen der Betriebsunterbrechung und der Betriebsverpachtung im Ganzen nicht als aufgegeben, bis der Steuerpflichtige die Aufgabe ausdrücklich gegenüber dem Finanzamt erklärt oder dem Finanzamt Tatsachen bekannt werden, aus denen sich ergibt, dass die Voraussetzungen für eine Aufgabe erfüllt sind (so genannte Betriebsfortführungsfiktion). Die Aufgabe ist rückwirkend auf den angegebenen Zeitpunkt in der Aufgabeerklärung anzuerkennen, wenn die Erklärung spätestens drei Monate nach diesem Zeitpunkt eingereicht wird, ansonsten im Zeitpunkt des Eingangs beim Finanzamt.

Stellungnahme der Finanzverwaltung

Nach dem Anwendungsschreiben der Finanzverwaltung vom 22.11.2016 gilt die Regelung auch für die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit sowie Land- und Forstwirtschaft, nicht jedoch für gewerblich geprägte Personengesellschaften, Besitzpersonengesellschaften bei einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung und für Verpachtungen des Betriebs eines Mitunternehmers an seine Mitunternehmerschaft.
Von einer Betriebsunterbrechung sei auszugehen, wenn die betriebliche Tätigkeit vorübergehend ruhe und die wesentlichen Betriebsgrundlagen zurückbehalten werden, so dass der Betrieb jederzeit wieder aufgenommen werden könne. Eine Betriebsverpachtung im Ganzen liege vor, wenn objektiv die Möglichkeit bestehe, ohne wesentliche Änderungen den Betrieb wieder fortzuführen.
Zwar sei für die Betriebsaufgabeerklärung keine Schriftform vorgeschrieben, dennoch sollte aus Beweisgründen die Schriftform inklusive des Aufgabedatums gewählt werden. Die Darlegungslast obliege dem Steuerpflichtigen. Im Falle einer Mitunternehmerschaft müsse die Erklärung einvernehmlich von sämtlichen Mitunternehmern getätigt werden. Irrelevant sei die Erfassung der Einkünfte aus dem verpachteten Betrieb im Rahmen der Einkommensteuer- oder Feststellungserklärung bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
Im Falle des Bekanntwerdens von Tatsachen, dass eine Betriebsaufgabe stattgefunden hat (z.B. Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlage), sei der Aufgabegewinn im Veranlagungszeitraum der Kenntniserlangung des Finanzamts zu erfassen, wenn die Betriebsaufgabe in einem festsetzungs- bzw. feststellungsverjährten Veranlagungszeitraum stattgefunden habe. Dies gelte auch für den Rechtsnachfolger. Noch vorhandene Wirtschaftsgüter sollen mit dem gemeinen Wert im Zeitpunkt des Bekanntwerdens angesetzt werden. Sofern Wirtschaftsgüter in früheren Wirtschaftsjahren veräußert oder unentgeltlich übertragen wurden, seien diese Gewinne unter Beachtung der verfahrensrechtlichen Vorschriften im Veräußerungs- bzw. Übertragungsjahr zu erfassen.
Ferner heißt es, dass nur der Kenntnisstand eines den betreffenden Steuerfall zu prüfenden Finanzbeamten entscheidend sei.

Anwendungszeitpunkt

Das Anwendungsschreiben soll in allen offenen Fällen für Betriebsaufgaben nach dem 4.11.2011 angewendet werden, wobei für frühere Betriebsaufgaben die damals geltenden einschlägigen Richtlinienfundstellen unverändert fortgelten sollen. Übergangsregelungen für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft seien von der gesetzlichen Neuregelung und dem Schreiben unberührt.

Benno Lange

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

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