Eigenverwaltung oft besser als Schutzschirmverfahren

Schutzschirmverfahren: oft genutztes Instrument zur Krisenbewältigung

Der Gesetzgeber hat 2012 mit der Reform des Insolvenzrechts das sogenannte Schutzschirmverfahren eingeführt, das auf die Sanierung eines Unternehmens in Eigenregie abzielt. Klingt der Begriff für die betroffenen Unternehmen zwar etwas angenehmer, so muss man doch festhalten: Es ist ein Insolvenzverfahren. Sprich: Wer „unter den Schutzschirm“ möchte, muss zwingend beim Insolvenzgericht einen Antrag stellen. Klingt der Begriff des Insolvenzverfahrens in der deutschen Meinungslandschaft doch allzu sehr nach Zerschlagung oder Auflösung, so fällt es den Unternehmen in der Außenkommunikation scheinbar leichter, den Begriff des „Schutzschirms“ zu kommunizieren.

Der Begriff des „Schutzschirms“ leitet sich davon ab, dass betroffene Unternehmen, also die Schuldner, vor dem Zugriff ihrer Gläubiger geschützt werden. Maßnahmen der Zwangsvollstreckung können hier nicht angesetzt werden. Der Schutzschirm ist eine Möglichkeit des Gesetzes zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG). Ziel des Gesetzes ist es, Anreize für Unternehmen zu schaffen, möglichst rasch in die Sanierung einzusteigen und nicht so lange zu warten, bis es möglicherweise zu spät ist. Zu diesem Zweck wurden zwei Verfahrensmöglichkeiten entwickelt:

  • das Eigenverwaltungsverfahren nach § 270a Insolvenzordnung (InsO) und
  • das Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO.

Schutzschirm und Eigenverwaltung: Gemeinsamkeiten

Beide oben genannten Verfahren sind letztlich Insolvenzverfahren. Sprich: Die Bedingungen, die daran geknüpft sind, sind dem des Insolvenzverfahrens ähnlich. Beide Konzepte zielen darauf ab, Unternehmen in Eigenregie zu sanieren.

  • In beiden Verfahren – Schutzschirm und Eigenverwaltung – bleibt der Geschäftsführer im „Driver's Seat“, also auf dem Fahrersitz am Lenkrad. Dies kann viele Vorteile haben, kennt eine erfahrene Geschäftsleitung doch die bestehenden Verträge am besten und kann u.U. auf langjährige Kontakte zu Lieferanten, Vermietern etc. zurückgreifen und im Rahmen des bestehenden Beziehungsnetzes auf Unterstützung hoffen. 
  • Doch benötigt die Geschäftsführung zur Umsetzung des Verfahrens einen Sanierungsberater, der ein plausibles Konzept zur Sanierung des Unternehmens erstellt. Darüber hinaus stellt das Gericht dem Geschäftsführer einen Sachwalter zur Seite. In der Regel ist dies ebenfalls ein erfahrener Sanierungsberater und Insolvenzverwalter. 
  • Das Unternehmen kann dann in beiden Varianten, wie im Insolvenzverfahren auch, für maximal drei Monate Insolvenzgeld zur Zahlung der Löhne und Gehälter beantragen, was besonders in personalintensiven Betrieben im Handel hilfreich ist. 
  • Laufende Verträge können einfacher gekündigt werden, sodass ein Unternehmen einen Neustart auf den Weg bringen kann – insbesondere dann, wenn durch bereits erhaltene Lieferungen ein Liquiditätsengpass droht.

Schutzschirm und Eigenverwaltung: Unterschiede

  • Wer unter den Schutzschirm möchte, darf noch nicht zahlungsunfähig sein. Dies muss ein in Insolvenzsachen erfahrener Wirtschaftsprüfer bescheinigen. Die Insolvenz in Eigenverwaltung bleibt auch bei bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit eine Option.
  • Nach der Antragstellung und unter der Prämisse, dass eine Sanierung gelingen kann, legt das Gericht beim Schutzschirmverfahren eine Frist von drei Monaten zur Vorlage des Insolvenzplans fest. Bei der Eigenverwaltung ist dies nicht notwendig.
  • Unter dem Schutzschirm ist zudem die Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Wirtschaftsprüfers notwendig, aus der hervorgeht, dass die Sanierung des Unternehmens möglich ist und das Geschäftsmodell in der Mode- und Textilbranche trägt. 
  • Diese Bescheinigung bedarf eines deutlichen Vorlaufs. Somit ist ein kurzfristiger Insolvenzantrag im Schutzschirmverfahren nicht möglich, denn hier muss langfristig geplant werden und es entstehen zwangsläufig höhere Kosten.

Steht ein Schuldner aus dem Bereich Mode und Textil vor der Entscheidung, mit welchem Verfahren er seiner Insolvenz begegnen möchte, fällt diese zumeist zugunsten des Schutzschirmverfahrens aus. Doch auch die Eigenverwaltung ist ein durchaus attraktiver Weg aus der Zahlungsunfähigkeit.    

Die Vorteile der Eigenverwaltung

  • Die Geschäftsführung bleibt im Amt.
    • Der Schuldner bleibt auch nach Anordnung der (vorläufigen) Eigenverwaltung in vollem Umfang verwaltungs- und verfügungsbefugt.
    • Der (vorläufige) Sachwalter hat nur eine Aufsichts- und Kontrollfunktion.
  • Das Stigma der Insolvenz ist kaum spürbar.
    • Der Begriff der „Eigenverwaltung“ ist bei Geschäftspartnern ebenso wenig negativ besetzt wie der des Schutzschirmverfahrens (Kultur der zweiten Chance).
    • Die vorläufige Eigenverwaltung wird nicht veröffentlicht.
  • Es bestehen verkürzte Kündigungsfristen für den Schuldner:
    • für Arbeitnehmer maximal drei Monate (vorausgesetzt, es liegt ein Kündigungsgrund vor),
    • für Mietverhältnisse über Immobilien maximal drei Monate.
  • Der Schuldner wird von Leasing- oder sonstigen Finanzierungsverträgen ohne Kündigungsfrist (§ 103 InsO) befreit.
  • Durch Insolvenzgeld und fehlende Umsatzsteuerzahlung gewinnt der Schuldner in der vorläufigen Eigenverwaltung an Liquidität.
  • Die Sanierung ist durch den Insolvenzplan innerhalb eines Zeitraums von sechs bis neun Monaten möglich.
  • Für den Schuldner ergeben sich im laufenden Verfahren Kostenvorteile.

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Für viele Unternehmen in Mode und Textil ergibt sich aktuell ein Dilemma. Die Absatzzahlen belegen, dass trotz Onlinehandel der Verlust der letzten Wochen kaum aufzuholen ist. Das Schutzschirmverfahren scheint vielen Unternehmen ein gangbarer Weg ohne großen Imageverlust zu sein, suggeriert der Begriff der Öffentlichkeit per se die Rettung des Unternehmens. Zugleich lässt sich das negativ behaftete Wort „Insolvenz“ umschiffen. Doch gilt es abzuwägen, ob das Eigenverwaltungsverfahren möglicherweise die bessere Variante darstellt. Oberstes Gebot für das Gericht ist neben der Aussicht auf Rettung nicht zuletzt die Wahrung der Gläubigerinteressen. Stellt das Gericht bei Antragstellung eine Überschuldung des Unternehmens fest und kommt zur Erkenntnis, dass ein Unternehmen nicht saniert werden kann, greift die Regelinsolvenz. Gleiches gilt übrigens auch dann, wenn im Laufe des Schutzschirmverfahrens Gläubiger gefasste Vereinbarungen aufkündigen. 

Sollten auch Sie in diesen Wochen vor der schwierigen Entscheidung stehen, wie Sie Ihr Unternehmen durch die Krise bringen müssen, können Sie sich auf die erfahrenen Berater der dhpg verlassen. Gemeinsam mit Ihnen wägen wir ab, welches Verfahren am besten passt – das Schutzschirmverfahren oder die Eigenverwaltung. Sprechen Sie uns an. Wir beraten Sie persönlich. 

Dirk Obermüller

Rechtsanwalt

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Dr. Dirk Wegener, MBL

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht

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Christian Senger

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht

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Dr. Alf Hillen

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