Startschuss für die EU-Mehrwertsteuerreform: 2020 kommen die Quick Fixes

Interview: Gert Klöttschen

Was hat es mit den Quick Fixes auf sich?

Gert Klöttschen: Die EU strebt eine grundlegende Reformierung des Mehrwertsteuersystems an. Die Umsetzung soll in mehreren Phasen ab 2021 erfolgen. Ziel ist es, den Umsatzsteuerbetrug einzudämmen und das System zu vereinfachen. Vor der eigentlichen Reform soll jedoch das bestehende System verbessert werden, um die gravierenden Praxisprobleme bei der Versteuerung von Reihengeschäften und innergemeinschaftlichen Lieferungen zu beheben. Hierzu hat sich die EU zu einigen Sofortmaßnahmen entschlossen, die sogenannten Quick Fixes. Diese sollen im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2019 in nationales Recht umgesetzt werden und zum 1.1.2020 in Kraft treten.

Was ändert sich genau zum 1.1.2020?

Gert Klöttschen: Im Kern betreffen die Quick Fixes drei Punkte: Reihengeschäfte, Konsignationslager und innergemeinschaftliche Lieferungen. Die erstmalige gesetzliche Regelung der Reihengeschäfte entspricht im Wesentlichen der bisherigen deutschen Verwaltungsauffassung. Dies gilt insbesondere für die Bestimmung der bewegten Lieferung in Abhängigkeit vom Transportauftrag. Erfolgt der Transport durch einen Zwischenhändler, so wird unverändert vermutet, dass die Lieferung an ihn die bewegte Lieferung darstellt. Wie bisher kann er diese Vermutung widerlegen, die vereinbarten Incoterms spielen dabei keine Rolle mehr. Lieferungen in Konsignationslager werden, anders als bisher, in der Regel mit Entnahme durch den Kunden als innergemeinschaftliche Lieferung behandelt. Hierdurch erübrigt sich eine Registrierung im EU-Ausland. Allerdings ergeben sich zahlreiche Aufzeichnungspflichten. Ebenso bedarf es der Überwachung der Verweildauer der Ware im Konsignationslager, da nach zwölf Monaten die Ware als in den Mitgliedstaat des Lagers verbracht gilt, was dann eine Deklaration vor Ort erfordert. Für innergemeinschaftliche Lieferungen gelten ab 2020 verschärfte Voraussetzungen zur Steuerbefreiung. So wird die Vorlage einer gültigen USt-IDNr. seitens des Erwerbers sowie wird die Abgabe einer korrekten Zusammenfassenden Meldung (ZM) gefordert.

Das heißt?

Gert Klöttschen: Voraussetzung für die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen ist ab 2020 die Abgabe einer korrekten ZM. Hatte die Abgabe einer fehlerhaften ZM bisher häufig nur unangenehme Nachfragen des Finanzamts zur Folge, wird dies ab 2020 die Versagung der Steuerbefreiung nach sich ziehen. Zusätzlich wird, wie gerade erwähnt, die Verwendung einer gültigen USt-IDNr. durch den Kunden als Voraussetzung einer innergemeinschaftlichen Lieferung definiert, was wiederum die korrekte Prüfung der USt-IDNr. zur unverzichtbaren Voraussetzung für die Steuerbefreiung macht.

Was bedeutet das für Unternehmer?

Gert Klöttschen: Unternehmen, die Lieferungen innerhalb der EU vornehmen bzw. erhalten, müssen sich zeitnah mit den Neuregelungen auseinandersetzen. Hierzu ist es notwendig, die Auswirkungen für das eigene Unternehmen zu analysieren, notwendige Maßnahmen zu bestimmen und noch in diesem Jahr umzusetzen. Erforderlich sind z.B. die Sicherstellung der korrekten Abfrage der USt-IDNr. sowie der Abgabe einer zutreffenden ZM, um die Versagung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen zu verhindern. Wer Lieferungen über Konsignationslager ausführt muss prüfen, ob die „Vereinfachung“ angesichts der zahlreichen formalen Hürden überhaupt in Anspruch genommen werden soll. Ist dies der Fall, muss nicht nur die steuerliche Erfassung angepasst werden, sondern auch dafür Sorge getragen werden, dass die Aufzeichnungspflichten erfüllt werden. Bei Reihengeschäften gilt es zu prüfen, ob sich eine geänderte Deklaration ergibt bzw. von der Neuregelung profitiert werden kann, um z.B. die Deklaration im EU-Ausland zukünftig zu vermeiden. Dies alles erfordert Umstellungen in sämtlichen Bereichen des Unternehmens, vom Vertrieb über die Finanzbuchhaltung, die Logistik bis hin zur EDV. Viel Zeit bleibt nicht mehr.

Auf was müssen sich die Unternehmer kurzfristig noch einstellen?

Gert Klöttschen: Versandhändler bzw. generell Unternehmer, die Privatkunden in anderen Mitgliedstaaten der EU beliefern sollten sich frühzeitig mit den ab 2021 für sie geltenden Änderungen auseinandersetzen. Zwar gibt es hierzu noch keinen Gesetzesentwurf, die Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) lassen jedoch wenig Spielraum. So gilt zukünftig eine einheitliche, erheblich reduzierte Lieferschwelle von 10.000 € (Gesamtumsatz EU-Ausland!). Viele Versandhändler werden sich damit erstmalig mit der Umsatzsteuerpflicht in den übrigen Mitgliedstaaten auseinandersetzen müssen. Allerdings können diese Umsätze ab 2021 im (M)OSS-Verfahren, d. h. in Deutschland angemeldet werden, eine Registrierung in anderen Mitgliedstaaten entfällt dann. Für Versandhändler mit Lagerhaltung im EU-Ausland (z. B. über Amazon) gilt diese Vereinfachung nicht. Diese müssen prüfen, ob ihr aktuelles Vertriebsmodell dann noch passend ist.

Viele Punkte befinden sich noch in der Planungsphase. Man darf also gespannt sein, was die nächsten Jahre bringen. Wir halten Sie natürlich gerne auf unserem Blog und an dieser Stelle auf dem Laufenden.

Vielen Dank.

Gert Klöttschen

Steuerberater

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