Keine Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Betriebsverpachtung

Kernaussage

Der EuGH sieht keine Geschäftsveräußerung im Ganzen als gegeben, wenn alle zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit erforderlichen Gegenstände lediglich vermietet werden.

Sachverhalt

Im Streitfall wurde im Rahmen einen Strafverfahrens gegen die Geschäftsführer der Apcom Select SA ermittelt, weil die Apcom Select SA den Vorsteuerabzug für eine Immobilie, die für ihre Geschäftstätigkeiten (Betrieb eines Restaurants) verwendet wurde, nicht berichtigten, als diese Immobilie und die zur Fortsetzung der Geschäftstätigkeit benötigten beweglichen Gegenstände umsatzsteuerfrei verpachtet wurden.

Die Steuerpflichtigen berufen sich auf Art. 19 und 29 der MwStSystRL, da die Verpachtung der Immobilie einschließlich der Sachanlagen und benötigten Gegenstände an eine andere Handelsgesellschaft eine Geschäftsübertragung i.S.d. Art. 19 und 29 der MwStSystRL darstelle, sodass die Apcom Select SA einen Vorsteuerabzug, ohne eine entsprechende Korrektur der Vorsteuern, habe vornehmen können.

Art. 19 der MwStSystRL sehe vor, dass die Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt, derart behandelt werden könne, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliege und der Begünstigte der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden angesehen werden könne. Art. 29 der MwStSystRL sehe eine entsprechende Anwendung auch auf Dienstleistungen vor.

Das Landesgericht Mures (Rumänien) hatte daraufhin beschlossen das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof verschiedene Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Vorlagefragen

Die erste Frage beschäftigt sich damit, ob eine Immobilie, die einem Geschäftsbetrieb diente und die einschließlich aller Sachanlagen und Inventargegenstände verpachtet wird, eine Übertragung von Gesamtvermögen oder Teilvermögen i.S.d. Art. 19 der MwStSystRL darstellen kann.

Der EuGH hat den Begriff der Übertragung von Gesamtvermögen oder Teilvermögen derart definiert, dass eine Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines selbständigen Unternehmensteils gegeben sein muss, die jeweils materielle und ggf. immaterielle Bestandteile umfasst, die zusammengenommen ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden. Eine bloße Übertragung von Gegenständen (z.B. Warenbestand) schließt diese Begriffsdefinition nicht ein. Vielmehr muss die Gesamtheit der übertragenen Bestandteile ausreichen, um die Fortführung einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit zu ermöglichen. Im Falle eines Geschäftslokals liegt nach Auffassung des EuGH keine Übertragung von Geschäftsvermögen i.S.d. Art. 19 MwStSystRL vor, wenn der Erwerber keinen Besitz am Geschäftslokal und der für die Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit unverzichtbaren Ladeneinrichtung erhält. Nach Ansicht des EuGH muss in diesen Fällen die Übertragung der unbeweglichen Sache zu den übertragenden Bestandteilen gehören. Da im Streitfall sämtliche zur Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit benötigten Gegenstände lediglich verpachtet wurden und keine Eigentumsübertragung stattfand, kann eine solche Überlassung keine Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens darstellen.

Mit der zweiten Frage begehrt das Gericht eine Antwort darauf, ob Art. 135 Abs. 1 lit. l) der MwStSystRL derart ausgelegt werden kann, dass ein Pachtvertrag für die Vermietung einer Immobilie zzgl. sämtlicher für den Betrieb erforderlicher Sachanlagen und Inventargegenstände eine Verpachtung von Grundstücken im Sinne dieser Bestimmung darstellt, oder, ob die Verpachtung eine komplexe Dienstleistung darstellt, die steuerpflichtig wär. Art. 135 der MwStSystRL bestimmt dabei, dass die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken von der Umsatzsteuer befreit ist.

Zur Beantwortung der zweiten Frage weist der EuGH daraufhin, dass formal unterschiedliche Einzelleistungen, die getrennt erbracht werden mit dem Zweck für sich zu einer Besteuerung oder Befreiung zu führen, als einheitlicher Umsatz angesehen werden können, wenn sie nicht selbständig sind. Dabei liegt eine einheitliche Leistung vor, wenn die Steuerpflichtige zwei oder mehr Handlungen vornimmt, die so eng miteinander verbunden sind, dass objektiv eine einzige untrennbare Leistung vorliegt. Eine Aufspaltung dieser Leistung sei dabei wirklichkeitsfremd.

Dies gilt auch für die Fall, dass eine oder mehrere Einzelleistungen eine Hauptleistung bilden und die andere Einzelleistung eine Nebenleistung darstellt, die steuerrechtlich wie die Hauptleistung behandelt wird. Eine Nebenleistung ist insbesondere dann gegeben, wenn die Nebenleistung keinen eigenen Zweck für den Kunden erfüllt, sondern nur als Mittel für die Erfüllung der Hauptleistung dient.

Hinsichtlich der Vermietung von Grundstücken i.S.d. Art. 135 der MwStSystRL weist der EuGH darauf hin, dass der Vermieter dem Mieter ein Recht einräumt ein Grundstück auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung in Besitz zu nehmen und andere Personen vom Recht ausschließt. Zudem führt der EuGH aus, dass der Begriff der Vermietung eng auszulegen ist, sodass andere Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, nicht von der Mehrwertsteuer befreit werden.

Nach Auffassung des EuGH kann im Streitfall die Verpachtung von den beweglichen Gegenständen nicht von der Verpachtung der Immobilie getrennt werden. Die Vermietung der Immobilie ist daher als Hauptleistung anzusehen, die Vermietung der Sachanlagen und Inventargegenstände stellen hingegen Nebenleistungen dar. Die Verpachtung der Immobilie sowie die Verpachtung der Sachanlagen und Inventargegenstände stellt demnach eine einheitliche Leistung dar.

Hinweis

Die Entscheidung dürfte auch Bedeutung haben für den Bereich der Stallverpachtungen in der Landwirtschaft. Berücksichtigt man dann noch die Entscheidung des EuGH vom 18.01.2018 – C 463/16 (Ajax Amsterdam), wonach eine einheitliche Lieferung nur einem einheitlichen Steuersatz unterliegen kann, bestehen berechtigte Zweifel, ob das nationale Aufteilungsgebot nach § 4 Nr. 12 S. 2 UStG, wonach sich die Steuerbefreiung der Grundstücksvermietung nicht auch auf die Betriebsvorrichtung erstreckt, mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

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