Begrenzung der Bemessungsgrundlage für Wärmelieferung auf Marktpreis

Kernaussage

Nach der aktuellen Entscheidung des FG Niedersachen wird die Bemessungsgrundlage für eine Wärmelieferung nach dem marktüblichen Entgelt bestimmt, wenn die Selbstkosten den Marktpreis übersteigen

Sachverhalt

Die Klägerin (100 %ige Tochter der Samtgemeinde X) betreibt ein Blockheizkraftwerk und versorgt neben weiteren Abnehmern auch gemeindeeigene Einrichtungen (Feuerwehr, Freibad, Schule) mit Wärme. Die Entgelte berechnet die Klägerin einheitlich - also sowohl gegenüber ihrer Gesellschafterin als auch gegenüber den von ihr belieferten fremden Dritten - nach einer Preisliste, welche die Preise nach dem jeweiligen Verbrauch staffelt. Im Zuge einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertrat das Finanzamt (FA), die Auffassung, bei den Wärmelieferungen an die gemeindeeigenen Einrichtungen sei nicht wie bislang das von der Klägerin in Rechnung gestellte Entgelt, sondern die Mindestbemessungsgrundlage gem. § 10 Abs. 5 UStG anzusetzen. Diese sei aus Vereinfachungsgründen gemäß dem bundesweit einheitlichen durchschnittlichen Fernwärmepreis auf Basis der jährlichen Veröffentlichungen des Bundeministeriums für Wirtschaft und Energie zu bestimmen. Für das Streitjahr ergäbe sich danach ein Fernwärmepreis von 7,50 ct/kWh netto. Die Klägerin hatte hingegen gemäß ihrer Wärmestaffel Preisliste den von ihr belieferten gemeindeeigenen Einrichtungen nur 1,9 ct/kWh netto in Rechnung gestellt. Der Prüfer berechnete als Ansatz für die Mindestbemessungsgrundlage einen um 59.946 € erhöhten Betrag. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg.

Entscheidung

Nach Ansicht des FG ist die Klage begründet. Das FA ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Bemessungsgrundlage für die Umsätze der Klägerin unter Berufung auf die Regeln der Mindestbemessungsgrundlage für das Jahr 2015 um 59.946 € zu erhöhen sind. Da die Wärmelieferungen an die gemeindeeigenen Einrichtungen zu marktüblichen Entgelten erfolgten, ergeben die mit der Klägerin vereinbarten Preise nach § 10 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz UStG die Bemessungsgrundlage. Da dies der Besteuerung der Klägerin vor Durchführung der Umsatzsteuer-Sonderprüfung entspricht, war der angefochtene Bescheid aufzuheben.

Nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG unterliegen entgeltliche Leistungen, die Körperschaften, Personenvereinigungen sowie Gemeinschaften im Rahmen ihres Unternehmens an ihre Anteilseigner, Gesellschafter, Mitglieder, Teilhaber oder diesen nahestehende Personen ausführen, der sog. Mindestbemessungsgrundlage. Gegenüber nahestehenden Personen - wie vorliegend der Samtgemeinde X im Verhältnis zur Klägerin, als deren hundertprozentige Tochter - erfolgt die Besteuerung dann nicht auf der Grundlage des vereinbarten Entgelts (§ 10 Abs. 1 UStG), sondern nach den Bemessungsgrundlagen des § 10 Abs. 4 UStG, wobei der Umsatz gemäß § 10 Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz UStG jedoch höchstens nach dem marktüblichen Entgelt zu bemessen ist.

Die Bemessungsgrundlage bei Lieferungen i.S.v. § 3 Abs. 1b UStG wird nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes bemessen. Maßgebend ist demnach primär der Einkaufspreis. Die Selbstkosten sind nur subsidiär anzusetzen, wenn ein Einkaufspreis für den (entnommenen) Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand nicht zu ermitteln ist.

Von einem Fernwärmeversorger produzierte und angebotene Fernwärme kann dabei nur dann als Einkaufspreis für den Gegenstand oder einen gleichartigen Gegenstand im Sinne des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG angesehen werden, wenn sie zum Zeitpunkt des Umsatzes grundsätzlich ebenso erreichbar und einsetzbar ist wie die selbst erzeugte Wärme. Nur dann kann im Zeitpunkt des Bedarfs die selbst erzeugte Wärme durch eine gleichartige, einzukaufende ersetzt und der Einkaufspreis ermittelt werden, der einem fremden Anbieter für den Liefergegenstand „Wärme“ zu diesem Zeitpunkt hätte bezahlt werden müssen.

Ist ein (fiktiver) Einkaufspreis nicht feststellbar, sind die Selbstkosten als Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG anzusetzen. Die Selbstkosten umfassen alle vorsteuerbelasteten und nichtvorsteuerbelasteten Kosten, die für die Herstellung der jeweiligen Wärmemenge unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse vor Ort anfallen. Hierzu gehören neben den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Anlage auch die laufenden Aufwendungen. Die Selbstkosten sind grundsätzlich im Verhältnis der erzeugten Mengen an elektrischer und thermischer Energien in der einheitlichen Messgröße kWh aufzuteilen (sog. energetische Aufteilungsmethode). Eine überproportionale Zuordnung der Selbstkosten zum produzierten Strom nach sog. exergetischen Allokations- oder Marktwertmethoden - von der Klägerin auch Kuppelkalkulation genannt - findet dagegen im Gesetz keine Stütze. Anders als die Klägerin meint, spricht hierfür auch nicht das BFH-Urteil vom 16. 11. 2016 V R 1/15 (BFH/NV 2017, S. 413), in dem es um die anders gelagerte Frage der Vorsteueraufteilung i. S. von § 15 Abs. 4 UStG geht.

Aber bei der Prüfung der Selbstkosten ist der Umsatz gem. § 10 Abs. 5 S. 1 2. Alt. UStG in jedem Fall auf das marktübliche Entgelt begrenzt. Die Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage setzt voraus, dass die Gefahr einer Steuerhinterziehung oder –umgehung besteht. Was nicht zutrifft, wenn das vereinbarte Entgelt dem marktüblichen Entgelt entspricht. Dabei sind für die Ermittlung des marktüblichen Entgelts – entsprechend den Bedingungen des freien Wettbewerbs -die konkreten Verhältnisse am Standort des Energieverbrauches entscheidend. Diese wurden nach der Überzeugung des Gerichts glaubhaft vorgetragen.

Hinweis

Die Revision wurde nach § 115 Abs. 1 FGO nicht zugelassen. Bei der Feststellung der Marktüblichkeit des von der Klägerin vereinbarten Entgelts handelt es sich um eine Tatsachenwürdigung, bei der sich das Gericht zudem an der Rechtsprechung des BFH orientiert hat.

Neben der positiven Feststellung des Gerichts, dass bei vereinbarten Entgelten, das marktübliche Entgelt zu beachten ist, bleibt auch die negative Feststellung zu beachten, dass bei der Ermittlung der Mindestbemessungsgrundlage nach den Selbstkosten eine Aufteilung nach den Leistungskennzahlen und keine umsatzbezogene Aufteilung vorzunehmen ist. Dies ist relevant bei unentgeltlicher Wärmeabgabe. Denn hier existiert bisher keine Deckelung auf das marktübliche Entgelt. Deshalb sollte man in Fällen der Wärmeabgabe immer ein gewisses (Teil)Entgelt vereinbaren bzw. ggf. nachträglich ein Entgelt vereinbaren.

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