Abzinsung von Angehörigendarlehen

Kernaussage

Anzuerkennende, unverzinsliche (betriebliche) Verbindlichkeiten aus Darlehen zwischen Angehörigen sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abzuzinsen.

Sachverhalt

Die Kläger sind Eheleute und werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Ehemann erzielte in den Streitjahren Einkünfte u.a. aus Land- und Forstwirtschaft und Gewerbebetrieb. Die Ehefrau stellte dem Kläger Geldbeträge, welche sie aus privaten Verkäufen erzielt hatte für den Gewerbebetrieb und für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zur Verfügung. Der Ehemann wies die Geldbeträge zunächst als Einlagen und später als Darlehen in seinen Bilanzen aus.

Im Rahmen der endgültigen Veranlagung reichten die Kläger gleichlautende Darlehensverträge nach. Laut diesen Verträgen gewährt der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer jeweils ein Darlehen zur Ablösung von Schulden in der Landwirtschaft/Gewerbe. Das Darlehen ist dabei unverzinslich zu gewähren. Die Auszahlung des jeweiligen Darlehens erfolgte am 02.01.2016. Die Darlehen sind am 31.12.2015 in voller Höhe zur Rückzahlung fällig. Im Zuge weiterer Ermittlungen stelle das FA fest, dass die Darlehensverträge erst im Jahr 2008 schriftlich fixiert wurden, aber bereits bei Darlehenshingabe eine Darlehensvereinbarung bestanden hatte.

Anlässlich der Befragung der Buß- und Strafsachenstelle des FA erklärte die Klägerin, dass es sich bei den Geldzuwendungen nicht um Schenkungen, sondern um Darlehen an den Kläger handelt. Zwar sind die Geldzuwendungen zunächst als Einlage verbucht worden, im folgenden Wirtschaftsjahr sind jedoch Berichtigungsbuchungen vorgenommen worden. Das Finanzamt ging davon aus, dass die Geldbeträge als Darlehen zur Finanzierung der beiden Betriebe gewährt worden und steuerlich anzuerkennen sind. Wegen der Unverzinslichkeit sind die Darlehen jedoch gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen. Dadurch ergaben sich entsprechende Gewinnerhöhungen. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Entscheidung

Die Revision der Kläger hatte auch vor dem BFH keinen Erfolg. Das FG hat zu Recht darauf erkannt, dass die streitigen Darlehensverbindlichkeiten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG gewinnerhöhend abzuzinsen sind.

Eine betriebliche Verbindlichkeit liegt vor, wenn der auslösende Vorgang einen tatsächlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Betrieb aufweist. Demgemäß sind Darlehensverbindlichkeiten dem Betriebsvermögen zuzuordnen, wenn die Kreditmittel für betriebliche Zwecke, etwa zur Anschaffung von Wirtschaftsgütern oder zur Ablösung anderer Betriebsschulden, verwendet werden, so dass auch bei einem Gefälligkeitsdarlehen unter Verwandten allein der vom Darlehensnehmer mit der Darlehensaufnahme verfolgte Zweck entscheidend ist.

Darlehen, die einem Betriebsinhaber von einem Angehörigen gewährt werden, sind allerdings nicht dem Betriebsvermögen, sondern dem Privatvermögen des Betriebsinhabers zuzuordnen, wenn sie zwar zivilrechtlich, aber unter Heranziehung des Fremdvergleichs steuerrechtlich nicht anzuerkennen sind. Daraus folgt nicht nur, dass Zinsen hierfür nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig sind, sondern auch, dass die Darlehensvaluta selbst dem Privatvermögen des Betriebsinhabers zuzuordnen ist. Wenn und soweit der Darlehensbetrag dem betrieblichen Konto gutgeschrieben wird, ist dieser in der Bilanz daher zwingend als Einlage zu erfassen. Eine Abzinsung scheidet in diesem Fall notwendigerweise aus.

Liegen die Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung des Darlehensverhältnisses - wie hier - vor, sind auch unverzinsliche betriebliche Verbindlichkeiten aus Darlehen, die ein Angehöriger einem Gewerbetreibenden, Selbständigen oder Land - und Forstwirt gewährt hat, nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abzuzinsen. Es handele sich um eine betriebliche Verbindlichkeiten des Kl., da dieser den Darlehensbetrag zur Ablösung betrieblicher Bankschulden verwendet habe. Zum anderen sei die Würdigung des FG, dass die zwischen dem Kl. und seiner Ehefrau abgeschlossenen Darlehensverträge steuerrechtlich anzuerkennen seien, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es habe insbesondere wegen der fehlenden Sicherheiten nicht zwingend auf die Fremdunüblichkeit der (gesamten) Darlehensvereinbarung schließen müssen. Denn Darlehen unter nahen Angehörigen, die – wie vorliegend – nach ihrem Anlass wie von einem Fremden gewährt werden, seien trotz fehlender Sicherheiten steuerrechtlich anzuerkennen, wenn das Rechtsgeschäft – wie im Streitfall – von volljährigen und voneinander wirtschaftlich unabhängigen Angehörigen geschlossen und tatsächlich durchgeführt werde. Schließlich spreche auch die Ertraglosigkeit des Darlehens nicht gegen die Fremdüblichkeit der Darlehensverträge. Zutreffend weise die Vorinstanz in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch unter Fremden und im Verhältnis Gesellschafter/Gesellschaft die Hingabe eines zinslosen Darlehens denkbar und steuerrechtlich zu berücksichtigen sei.

Dem Gesetzeswortlaut lässt sich weder eine Einschränkung im Hinblick auf Angehörigendarlehen entnehmen noch verlangt der Zweck der Vorschrift eine Sonderbehandlung solcher Darlehen. Die Abzinsung gründet auf der typisierenden Vorstellung, dass eine erst in der Zukunft zu erfüllende Verpflichtung den Schuldner weniger belastet als eine sofortige Leistungspflicht. Sie beruht auf dem Faktor \"Zeit\" und folgt demgemäß dem Grundsatz, dass erst in Zukunft zu erbringende Zahlungen gegenwärtig mit ihrem Barwert abzubilden sind. Diese Überlegung gilt für Angehörigendarlehen nicht anders als für sonstige Darlehensverhältnisse.

Der Abzinsungsbetrag kann auch nicht durch Buchung einer Einlage neutralisiert werden. Zwar ist die Zinslosigkeit des Darlehens außerbetrieblich motiviert, bloße Nutzungsvorteile sind jedoch nicht einlagefähig. Ebenso scheidet die Bildung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens aus; denn der fiktive Zinsertrag stellt \"kein vorab vereinnahmtes Entgelt\" i.S.d. § 5 Abs. 5 S. 1 Nr.2 EStG dar. Letztlich hat der BFH auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine derartige Handhabung.

Hinweis

Der vorzeitige Gewinnausweis hätte durch die Vereinbarung einer – sehr geringen – Verzinsung vermieden werden können (BFH v. 06.10.2009 – I R 4/08, BStBl 2010 II, S. 177).

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