Ansprüche des Handelsvertreters auch bei Beendigung des Vertrags in der Probezeit?

 

Kernaussage

Handelsvertretern stehen die vorgesehenen Ausgleichs- und Schadensersatzansprüche auch dann zu, wenn der Handelsvertretervertrag während der Probezeit beendet wird. Dies entschied der Europäische Gerichtshof.

Sachverhalt

Im Jahr 2011 schloss die A-Gesellschaft mit der B-Gesellschaft (Handelsvertreter) einen Handelsvertretervertrag über den Verkauf von 25 Einfamilienhäusern pro Jahr durch B für Rechnung von A. Der Vertrag sah eine Probezeit von zwölf Monaten vor, innerhalb derer jede Partei das Recht hatte, ihn mit einer bestimmten Frist zu kündigen. Sechs Monate nach Abschluss kündigte A, weil B innerhalb von fünf Monaten nur einen einzigen Verkauf getätigt und damit das Vertragsziel nicht eingehalten hatte.
B verlangte von A die Zahlung eines Ausgleichs zum Ersatz des mit der Beendigung des Handelsvertretervertrags verbundenen Schadens. Die entsprechende Unionsrichtlinie gewährt entweder einen Ausgleichs- oder Schadensersatzanspruch. Letzterer ist zu gewähren, wenn der Handelsvertreter durch die Vertragsbeendigung Provisionsansprüche verliert, die ihm bei normaler Fortsetzung des Vertrags zugestanden hätten. Die Nichtzahlung verschafft dem Unternehmer einen wesentlichen Vorteil und/oder er kann Kosten und Aufwendungen nicht amortisieren, die er in Ausführung des Vertrags auf Empfehlung des Unternehmers gemacht hat. Ein Ausgleichsanspruch ist zu gewähren, wenn der Handelsvertreter für den Unternehmer neue Kunden geworben oder bestehende Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hat. Der Unternehmer kann aus den Geschäften mit diesen Kunden noch erhebliche Vorteile ziehen. Die Zahlung eines solchen Ausgleichs kann unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, gebilligt werden. Das mit dem Rechtsstreit befasste französische Gericht wollte vom Europäischen Gerichtshof wissen, ob diese Grundsätze auch dann anwendbar sind, wenn der Handelsvertretervertrag während der Probezeit beendet wird.

Entscheidung

Nach dem Urteil der Richter steht einem Handelsvertreter der Ausgleichs- bzw. Schadensersatzanspruch auch dann zu, wenn der Vertrag während der Probezeit beendet wird. Die Regelung sei keine Sanktion für die Vertragsauflösung. Vielmehr solle sie den Handelsvertreter für die von ihm erbrachten Leistungen, aus denen der Unternehmer über die Beendigung des Vertragsverhältnisses hinaus Vorteile zieht, oder für die Kosten und Aufwendungen, die ihm für diese Leistungen entstanden sind, entschädigen. Daher dürfe dem Handelsvertreter der Ausgleich oder Schadensersatz nicht allein deshalb versagt werden, weil die Beendigung des Handelsvertretervertrags während der Probezeit eingetreten sei.

Konsequenz

Der Europäische Gerichtshof stellte klar, dass dieses Ergebnis durch das Ziel der Richtlinie bestätigt werde, das u.a. im Schutz des Handelsvertreters in seiner Beziehung zum Unternehmer bestehe. In Anbetracht dessen sei jede Auslegung der Richtlinie, die sich für den Handelsvertreter als nachteilig erweisen könnte, ausgeschlossen.

Dr. Andreas Rohde

Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht

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