Grunderwerbsteuerbefreiung für Erwerb eines Grundstücks von Geschwistern

Kernaussage

Der BFH hatte sich mit der Frage zu befassen, ob ein unentgeltlicher Erwerb eines Grundstücks zwischen Geschwistern von der Grunderwerbsteuer befreit sein kann.

Sachverhalt

Der Steuerpflichtige im Streitfall war zusammen mit seiner Schwester Miteigentümer des Grundstücks 1, das die Mutter des Steuerpflichtigen 2002 unter Vorbehalt eines Nießbrauchs an die beiden übertragen hatte. Im Jahr 2010 übertrug die Mutter des Steuerpflichtigen das Grundstück 2 auf die Schwester ebenfalls unter Vorbehalt eines lebenslangen Nießbrauchs. Darüber hinaus verpflichtete sich die Schwester ihren hälftigen Anteil am Grundstück 1 unentgeltlich auf den Steuerpflichtigen, unter Übernahme des Nießbrauchs an die Mutter sowie einer Rücklassungsvormerkung, zu übertragen.

Für den Erwerb des Miteigentumsanteils am Grundstück 1 setzte das Finanzamt ausgehend von einem hälftigen Verkehrswert des Grundstücks i.H.v. 144.000 € Grunderwerbsteuer i.H.v. 5.040 € fest. In der Einspruchsentscheidung wurde die Grunderwerbsteuer auf 2.665 € herabgesetzt. Begründung hierfür war, dass durch die Übernahme der grundbuchrechtlichen Belastungen eine Schenkung unter Auflage, deren Wert die Bereicherung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG mindere, darstellt. Dem Finanzamt zufolge unterliegt das Grundstück nur mit dem Wert der Auflage der Grunderwerbsteuer. Als Bemessungsgrundlage zog das Finanzamt, basierenden auf den hälftigen Jahreswert des Nießbrauchs, einen Betrag i.H.v. 76.163 € heran.

Der Steuerpflichtige hatte gegen die Einspruchsentscheidung geklagt. Die Klage des Steuerpflichtigen war erfolgreich, sodass das FG den Grunderwerbsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung aufgehoben hat. Als Begründung führte das FG aus, dass aufgrund einer Zusammenschau grunderwerbsteuerrechtlicher Befreiungsvorschriften die Übertragung grunderwerbsteuerfrei sei. Das Finanzamt legte daraufhin Revision ein.

Entscheidung

Der BFH hat entschieden, dass die Revision des Finanzamtes unbegründet ist. Nach Auffassung des BFH hat das FG zu Recht entschieden, dass der Erwerb des Miteigentums am Grundstück 1 von der Grunderwerbsteuer befreit ist.

Dem BFH zufolge kann die unentgeltliche Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück unter Geschwistern, die ein Elternteil in einem Schenkungsvertrag durch Auflage gegenüber dem beschenkten Kind angeordnet hat, aufgrund einer Zusammenschau grunderwerbsteuerrechtlicher Befreiungsvorschriften nach Ihrem Sinn und Zweck von der Grunderwerbsteuer befreit sein.

Gemäß § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG sind Grundstückserwerbe von Todes wegen und Grundstücksschenkungen unter Lebenden von der Besteuerung ausgenommen. Nach § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG ist weiterhin der Erwerb eines Grundstücks durch Personen in gerader Linie von der Grunderwerbsteuer ausgenommen. Die beiden Vorschriften finden im Streitfall nach Ansicht des BFH keine Anwendung. § 3 Nr. 2 GrEStG kommt nicht zum Tragen, weil die Übertragung zwischen den Geschwistern unter Auflage nicht freigebig, sondern aufgrund einer Verpflichtung der Mutter beruht.

Schenker des Grundstücks im Streitfall ist nicht das Geschwisterkind, sondern der Elternteil. Schenkungssteuerrechtlich ist der Elternteil daher als Zuwendender i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbSt zu sehen. Grunderwerbsteuerlich vollzieht sich aber der Grundstückserwerb nicht zwischen dem Schenker und dem Bedachten, da die unentgeltliche Übertragung zwischen den Geschwistern erfolgt. § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG könne ebenfalls nicht angewendet werden, weil der Erwerb nicht in gerade Linie, sondern in Seitenlinie stattfindet.

Dem BFH zufolge kann eine Steuerbefreiung aber aufgrund einer Zusammenschau von grunderwerbsteuerrechtlichen Befreiungsvorschriften nach ihrem Sinn und Zweck über ihren Gesetzeswortlaut hinaus dann gewährt werden, wenn sich der tatsächlich verwirklichte Grundstückserwerb als abgekürzter Übertragungsweg darstellt und die unterbliebenen Zwischenerwerbe, wenn sie durchgeführt worden wären, ebenfalls steuerfrei wären (BFH-Beschluss vom 11.08.2014, Az.: II B 131/13). Die Steuerfreiheit der unterbliebenen Zwischenerwerbe kann sich dabei auch aus der mehrfachen Anwendung derselben Befreiungsvorschrift ergeben. Die Steuerbefreiung darf jedoch immer nur an einen real verwirklichten, nicht aber an einen fiktiven Sachverhalt anknüpfen. Sie darf nicht zu einer Erweiterung des Anwendungsbereichs einer Befreiungsvorschrift über ihren Zweck hinausführen (BFH-Beschluss vom 11.08.2014, Az.: II B 131/13) und zudem darf kein Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO vorliegen.

Im Streitfall stellt die Übertragung des Miteigentumsanteils an einem Grundstück unter Auflage nach Auffassung des BFH einen abgekürzten Übertragungsweg von der Mutter (oder von einem Elternteil) auf das erwerbende Kind dar. Dabei wäre der erste unterbliebene Zwischenerwerb (die Übertragung des Grundstücks von dem mit der Auflage beschwerten Kind auf den Elternteil) nach § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG steuerfrei. Der zweite unterbliebene Zwischenerwerb (die unentgeltliche Übertragung des Grundstücks von der Mutter auf das erwerbende Kind) wäre ebenfalls nach § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG steuerfrei. Die Zusammenschau von grunderwerbsteuerrechtlichen Befreiungsvorschriften knüpft nach Ansicht des BFH im Streitfall auch an einen real verwirklichten und keinen fiktiven Sachverhalt an.

Aufgrund einer Zusammenschau grunderwerbsteuerrechtlicher Befreiungsvorschriften ist die Steuerbefreiung nur dann zu gewähren, wenn für den tatsächlich durchgeführten Übertragungsweg ein über die Steuerersparnis hinausgehender beachtlicher Grund ersichtlich ist. Ein solcher kann z.B. darin gesehen werden, dass der veranlassende Elternteil bei einer (Neu-)Gestaltung der vorweggenommenen Erbfolge gegenüber dem erwerbenden Kind als Schenker auftreten möchte. Dies ist nach Auffassung des BFH im Streitfall gegeben, weil die Mutter im Jahr 2010 offensichtlich die Erbfolge neu regeln wollte. Sofern ein beachtlicher Grund für den Übertragungsgrund vorliegt, stehe dem BFH zufolge der Zusammenschau der Befreiungsvorschriften auch § 42 AO nicht entgegen.

Der BFH ist daher im Streitfall der Ansicht, dass das FG zu Recht entschieden hat, dass die unentgeltliche Übertragung des Miteigentumsanteils am Grundstück vollständig von der Grunderwerbsteuer befreit ist.

Hinweis

An der bisherigen Rechtsauffassung (vgl. BFH Beschluss vom 11.08.2014, II B 131/13, BFH/NV 2015), wobei bei einem ähnlichen Sachverhalt die Grunderwerbsteuerfreiheit verneint wurde, hält der BFH nicht mehr fest.

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