Kindergeld: Verlängerung durch "mehraktige Ausbildung" des Kindes

Kernaussage

Für Kinder zwischen Vollendung des 18. und 25. Lebensjahres besteht ein Anspruch auf Kindergeld, wenn sie für einen Beruf ausgebildet werden. Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind grundsätzlich nur noch dann berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Unschädlich bleibt eine Erwerbstätigkeit von maximal 20 Stunden wöchentlich, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder eine geringfügige Beschäftigung (Minijob). Die Höhe der Einkünfte ist unbeachtlich.

Ob der „Verbrauch der Erstausbildung“ im Sinne der Vorschrift eingetreten ist, bleibt in vielen Fällen umstritten, denn heutzutage gibt es zahlreiche Ausbildungswege, die stets die Frage aufwerfen, ob das Ausbildungsziel bereits erreicht ist. Das Bundesministerium der Finanzen ist der Ansicht, dass nach Abschluss einer Berufsausbildung oder eines Studiums, die das Kind zur Aufnahme eines Berufs befähigen, grundsätzlich eine steuerschädliche Zweitausbildung vorliegt. Das gilt z.B. für eine Meisterausbildung nach mehrjähriger Berufstätigkeit im Anschluss an eine Gesellenprüfung oder die Aufnahme eines Masterstudiums nach mehrjähriger Berufstätigkeit. Dagegen wertet der Bundesfinanzhof ein im Anschluss an das Bachelorstudium durchgeführtes Masterstudium nicht als weitere, sondern noch als Teil einer einheitlichen Erstausbildung, wenn es zeitlich und inhaltlich auf den vorangegangenen Bachelorstudiengang abgestimmt ist und in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang durchgeführt wurde (so genanntes Konsekutives Masterstudium).

Bei nicht akademischen Ausbildungsberufen fehlte es bisher noch an positiver Rechtsprechung. Diesen Zustand hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz jetzt beendet.

Sachverhalt

Die im Streitjahr 23-jährige Tochter der vor dem Finanzgericht klagenden Mutter hatte im Juli 2015 die Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf Immobilienkauffrau bestanden und ab Oktober 2015 an dem 17-monatigen Lehrgang zur geprüften Immobilienfachwirtin der IHK teilgenommen. Voraussetzung für die Teilnahme an der Prüfung zur geprüften Immobilienfachwirtin ist das Bestehen der Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf Immobilienkauffrau sowie eine mindestens einjährige Berufspraxis nach abgeschlossener Lehre. Die Tochter war ab Juli 2015 parallel zu ihrer Ausbildung bei der IHK in einem entsprechenden Ausbildungsbetrieb (Bundesanstalt für Immobilienaufgaben) als „normale“ Vollzeitbeschäftigte angestellt. Die Familienkasse lehnte den Antrag auf Kindergeld für die Zeit ab August 2015 mit der Begründung ab, dass die Tochter bereits im Juli 2015 ihre erste Berufsausbildung abgeschlossen und sodann eine Erwerbstätigkeit aufgenommen habe. Die Mutter ging dagegen von einer einheitlichen Ausbildung aus, weil das Berufsziel der Tochter schon immer die geprüfte Immobilienfachwirtin gewesen sei.

Entscheidung

Die Klage vor dem Finanzgericht hatte Erfolg. Nach Auffassung der Finanzrichter endet der Anspruch auf Kindergeld nicht mit dem Erreichen eines ersten berufsqualifizierenden Abschlusses des Kindes, sondern erst dann, wenn das von Beginn an angestrebte Berufsziel einer mehraktigen Ausbildung erreicht ist. Zur Begründung verwies das Gericht auf solche Ausbildungsgänge, bei denen der erste Berufsabschluss lediglich integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs sei. Solche mehraktigen Ausbildungsmaßnahmen sind allerdings nur dann als Teil einer einheitlichen Erstausbildung zu qualifizieren, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt seien, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden solle und das von den Eltern und dem Kind bestimmte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden könne. Liege noch keine abgeschlossene erstmalige Berufsausbildung vor, komme es auf eine Erwerbstätigkeit des Kindes nicht an.

Konsequenz

Die Sache ist für die Richter so eindeutig, dass eine Revision mit Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (u.a. zum Konsekutiven Masterstudium) nicht zugelassen wurde. In einer Pressemitteilung macht das Finanzgericht auch den wesentlichen Unterschied zu einer negativen Entscheidung des Bundesfinanzhofs in einem ähnlichen Fall (Studium nach Ausbildung) klar: In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt konnte das Kind nach einer kaufmännischen Ausbildung nicht sogleich mit dem zweiten Ausbildungsabschnitt beginnen, sondern erst nach einer mindestens einjährigen Berufstätigkeit. Diese Berufstätigkeit führe nach Ansicht des Bundesfinanzhofs zu einem Einschnitt (Zäsur), der den notwendigen engen Zusammenhang zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten entfallen lasse.

Das muss aber noch nicht das letzte Wort sein. Mittlerweile liegt sogar eine Revision beim Bundesfinanzhof vor, in der die Eltern argumentieren, das vom Kind angestrebte Berufsziel als Steuerberater stehe in einem sachlichen Zusammenhang mit der Absolvierung der Prüfung als Steuerfachangestellter, selbst wenn zwischen dem erfolgreichen Abschluss des ersten Berufsabschnitts (mit Bestehen der Prüfung als Steuerfachangestellter) und der möglichen Zulassung zur Steuerberaterprüfung ein Zeitraum von mindestens sieben Jahren liege.

Es kann demnach für die von der gesamten Rechtsprechung betroffenen Eltern sinnvoll sein, mit dem steuerlichen Berater die Erfolgsmöglichkeiten für die Geltendmachung von Kindergeld oder Kinderfreibetrag anhand der eigenen Verhältnisse abzuwägen. Und etwas Positives bringt eine Zweitausbildung auch mit sich, denn das Kind kann für eigene Aufwendungen vorweggenommene Werbungskosten oder die Eltern höhere Freibeträge für die Unterstützung bedürftiger Personen (in Höhe des Grundfreibetrags = zurzeit 8.820 €, ab 2018: 9.000 € je Kind) geltend machen.

Dr. Lutz Engelsing

Steuerberater

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Michael Mittmann

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