Rechtfertigt wertende Kritik am Arbeitgeber eine Kündigung?

Kernaussage

Mit aktuellem Urteil hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz entschieden, dass wertende Kritik am Arbeitgeber von der Meinungsfreiheit geschützt sein kann und nicht in jedem Fall eine Kündigung rechtfertigt.

Sachverhalt

Im Streitfall war die Klägerin, eine gebürtige Kasachin, seit dem Sommer 2014 in einem Ausbildungsverhältnis mit der Beklagten, einer Rechtsanwaltskanzlei. Am 31.7.2017 sollte die Ausbildung abgeschlossen werden. Bereits kurz nach Beginn des Ausbildungsverhältnisses kam es insbesondere aufgrund einer Vielzahl von krankheitsbedingten Fehltagen im ersten Ausbildungsjahr zu Schwierigkeiten zwischen den Parteien. Im Sommer 2015 fand daraufhin ein Mitarbeitergespräch statt. Im Anschluss daran erhielt die Klägerin ein Schreiben der Beklagten mit dem Angebot eines Aufhebungsvertrags zum 31.7.2017. Die Beklagte begründete ihr Schreiben damit, dass die Klägerin "durch die Anforderungen an die Ausbildung derart belastet sei, dass sich dies sogar negativ auf ihre Gesundheit auswirke". Außerdem sei die Beklagte der Ansicht, dass die Klägerin "insbesondere aufgrund sprachlicher Schwierigkeiten der Ausbildung an sich nicht gewachsen sei und sich nur quäle". Die Klägerin lehnte das Angebot schriftlich gegenüber der Beklagten ab und teilte außerdem mit, dass sie sich durch die Wortwahl der Beklagten "sehr verletzt fühle". Weiter führte die Klägerin aus, dass "Mitauszubildende in anderen Kanzleien Unstützungsleistungen in Form von Sprachkursen erhalten würden". "Die Beklagte würde jedoch keinen Beitrag zur gesellschaftlichen Integration sprachlich eingeschränkter Personen leisten", die Klägerin "fühle sich hierdurch diskriminiert". Die Beklagte kündigte das Ausbildungsverhältnis nach Erhalt dieses Schreibens außerordentlich und fristlos aus wichtigem Grund. Begründet wurde die Kündigung durch die Beklagte insbesondere damit, dass das Vertrauensverhältnis aufgrund des Schreibens der Klägerin und den darin enthaltenen Vorwürfen derart zerstört sei, dass eine Fortsetzung des Ausbildungsverhältnis für die Beklagte nicht zumutbar sei. Die Auszubildene erhob daraufhin Klage vor dem Arbeitsgericht und bekam Recht.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz folgte der Auffassung des Arbeitsgerichts und stellte die Unwirksamkeit der Kündigung fest. Die Äußerungen der Klägerin seien vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gemäß Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt. Unbeachtlich sei dabei, ob die Meinungsäußerungen emotional oder sogar unbegründet seien. Der wertende Charakter der durch die Klägerin mitgeteilten Äußerungen habe im Vordergrund gestanden, nicht aber Beleidigungen oder Schmähungen, so die Begründung des Landesarbeitsgerichts. Die Klägerin habe vielmehr nur auf die Vorwürfe der Beklagten reagiert, die sie verletzt hätten. Aufgrund der konkreten Sitaution und der Angst um ihren Ausbildungsplatz habe die Klägerin emotional reagiert. Dies rechtfertige jedoch nicht die durch die Beklagte ausgesprochene Kündigung des Ausbildungsverhältnisses.

Konsequenz

Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ist die Entscheidung des Landesarbeitsgericht in diesem Einzelfall nachvollziehbar. Anders fällt die gerichtliche Bewertung allerdings in Fällen aus, in denen Arbeitnehmer oder auch Auszubildende die Grenze zur groben Beleidigung des Arbeitgebers überschreiten. In solchen Fällen kann eine Kündigung durchaus gerechtfertigt sein. Letztendlich - und dies wird durch die Entscheidung auch nochmals deutlich - betrachten und bewerten Gerichte in jedem Fall alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls.

Alexandra Hecht

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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