Forderungsausfall als Verlust aus Kapitaleinkünften

Hintergrund

Mit Einführung der Abgeltungsteuer zum 1.1.2009 hat sich das Besteuerungsregime bei den Einkünften aus Kapitalvermögen grundlegend geändert. Während im alten Recht nur die Ertragsebene von steuerlicher Relevanz war, werden nun sämtliche Wertänderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen – inklusive der Vermögensebene – erfasst. Zu den Kapitaleinkünften gehören danach auch Gewinne bzw. Verluste aus der Veräußerung von Kapitalforderungen, wobei auch die Rückzahlung im Gesetz explizit als Realisationstatbestand qualifiziert wird. Die Verlustverrechnung ist beschränkt auf bestimmte positive Einkünfte aus Kapitalvermögen.

Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass ein Forderungsausfall sowie ein Forderungsverzicht keine Realisationstatbestände i.S.d. § 20 EStG darstellen und somit daraus resultierende Verluste steuerlich nicht geltend gemacht werden können. Dem widerspricht nun der 8. Senat des Bundesfinanzhofs für den Forderungsausfall.

Sachverhalt

Der Kläger gewährte im Jahr 2010 einem Dritten ein mit 5 % zu verzinsendes Darlehen in Höhe von 24.000 €. Die vereinbarte Rückzahlung erfolgte ab August 2011 nicht mehr. Ein Jahr später wurde über das Vermögen des Darlehensnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger meldete daraufhin die noch offene Darlehensforderung in Höhe von 19.000 € zur Insolvenztabelle an. In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2012 machte der Kläger den Ausfall der Darlehensforderung als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Das Finanzamt und das Finanzgericht Düsseldorf lehnten dies ab.

Entscheidung

Nach Auffassung des 8. Senats des Bundesfinanzhofs führt auch der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung in der privaten Vermögenssphäre zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 EStG. Zwar fehle es bei einem Forderungsausfall an dem für eine Veräußerung notwendigen Rechtsträgerwechsel. Aus der Gleichstellung der Rückzahlung mit dem Tatbestand der Veräußerung einer Kapitalforderung folge jedoch, dass auch eine endgültig ausbleibende Rückzahlung zu einem Verlust führen könne. Wirtschaftlich betrachtet, mache es keinen Unterschied, ob der Darlehensgeber die Forderung noch kurz vor dem Ausfall zu null veräußert oder ob er sie mangels Kaufwilligen behält.

Der Verlust sei steuerlich allerdings erst zu berücksichtigen, wenn endgültig feststeht, dass keine Rückzahlungen mehr erfolgen werden. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners reiche hierfür in der Regel nicht aus, es sei denn, die Eröffnung ist mangels Masse abgelehnt worden oder andere Gründe liegen vor.

Hinweise

Zur gleichen Rechtsfrage ist derzeit noch ein Verfahren beim 10. Senat des Bundesfinanzhofs anhängig. Sollte dieser Senat eine andere Auffassung vertreten, müsste der Große Senat des Bundesfinanzhofs die Rechtsfrage endgültig klären.

Das Urteil ist grundsätzlich zu begrüßen, insbesondere auch vor dem Hintergrund der Neuausrichtung des Bundesfinanzhofs bei der Qualifizierung von Aufwendungen aus Finanzierungshilfen eines Gesellschafters zugunsten seiner Kapitalgesellschaft (Darlehen, Bürgschaften). Mit Urteil vom 11.7.2017 hatte der IX. Senat des Bundesfinanzhofs insoweit – mit Übergangsregelung für bestimmte Finanzierungshilfen, die vor dem 27.9.2017 gegeben wurden – entschieden, dass solche Aufwendungen zukünftig grundsätzlich nicht mehr als nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung zu berücksichtigen sind. Nach der nun vorliegenden Entscheidung des X. Senats wäre ein Darlehensausfall im Rahmen der Abgeltungsteuer zu berücksichtigen, vorausgesetzt das Darlehen wurde nach dem 1.1.2009 gewährt. Ob Gleiches bei einem Darlehensverzicht oder der Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft gilt, muss ebenso noch durch die Rechtsprechung geklärt werden, wie die Frage, ob solche Verluste im Falle eines zu mindestens 10 % beteiligten Gesellschafters sogar mit sämtlichen Einkünften und nicht nur mit Kapitaleinkünften verrechnet werden können.

Benno Lange

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

Zum Profil von Benno Lange

Kontakt

Nehmen Sie mit uns Kontakt auf

Mail Kontaktformular Telefon +49 228 81000 0 Newsletter Newsletter
YouTube Video laden
Permalink