Restriktive Auffassung: Finanzverwaltung zur Entstehung junger Finanzmittel bei Umwandlungsvorgängen

Erbschaftsteuerbefreiung für unternehmerisches Vermögen

Das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht unterwirft unentgeltliche Übertragungen im Wege der Schenkung oder des Erwerbs von Todes wegen der Besteuerung. Dies gilt grundsätzlich auch für die Übertragung von unternehmerischem Vermögen wie Betrieben und Anteilen an Personen- und Kapitalgesellschaften. Zur Verschonung des unternehmerischen Vermögens, insbesondere zum Zwecke der Erhaltung von Arbeitsplätzen, greifen insoweit jedoch erhebliche Begünstigungsvorschriften von 85 bzw. 100 %. Nicht Teil der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Begünstigung ist der Teil des Vermögens, welcher nicht originär der unternehmerischen Betätigung gilt (sogenanntes Verwaltungsvermögen). Über eine Reihe von Unschädlichkeitsgrenzen und Verrechnungsmöglichkeiten besteht gleichwohl die Option, auch das Verwaltungsvermögen (partiell) begünstigt übertragen zu können. Dies gilt jedoch ausdrücklich nicht für das sogenannte junge Verwaltungsvermögen, das dem Betrieb zum Zeitpunkt der Übertragung weniger als zwei Jahre zuzurechnen ist.

Führen Umstrukturierungsvorgänge zu jungen Finanzmitteln?

Bereits seit Längerem vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass Umwandlungsvorgänge zur Entstehung jungen Verwaltungsvermögens führen können. Der Bundesfinanzhof hat dies in einigen Urteilen – mit Verweis auf eine stets betriebsbezogene Zurechnung des Verwaltungsvermögens – bestätigt. Junges Verwaltungsvermögen kann so auch dann entstehen, wenn es nicht durch die Gesellschafter:innen zugeführt, sondern schlicht konzernintern umstrukturiert wird.

Unklar war bislang, ob die Finanzverwaltung diese Auffassung auch auf die erbschaftsteuerlich nicht begünstigten Finanzmittel überträgt, bestehend aus Zahlungsmitteln, Geschäftsguthaben, Forderungen und vergleichbaren Vermögensgegenständen. Dies insbesondere deshalb, da es sich bei jungen Finanzmitteln nach dem Wortlaut des Gesetzes um eine Saldogröße der innerhalb von zwei Jahren eingelegten und entnommenen Finanzmittel handelt. 

Bei Umwandlungsvorgängen, die ertragsteuerlich als gewinnrealisierende Tauschvorgänge qualifiziert werden, handelt es sich dem Grunde nach jedoch gerade nicht um Einlagevorgänge. Mit den jüngst veröffentlichten gleichlautenden Erlassen vom 13.10.2022 haben die obersten Finanzbehörden der Länder nun dargelegt, dass Umwandlungsvorgänge – ungeachtet der ertragsteuerlichen Würdigung – ebenfalls zur Entstehung der erbschaft- und schenkungsteuerlich vollumfänglich nicht privilegierten jungen Finanzmittel führen können.

Kritische Würdigung und Ausblick

Die Auffassung der Finanzverwaltung ist kritisch zu betrachten. Obgleich der Wortlaut des Gesetzes auf die ertragsteuerlichen Begriffe der Einlage und Entnahme abstellt, nehmen die gleichlautenden Erlasse eine deutlich darüber hinausgehende Position ein. Hierdurch können in Erb- und Schenkungsfällen erhebliche Mehrbelastungen entstehen, die mit dem Missbrauchsvermeidungscharakter der Norm nicht in Einklang stehen. Es ist davon auszugehen, dass entsprechende Fälle in den kommenden Jahren von der Rechtsprechung zu klären sein werden. Bis dahin sollte die restriktive Auffassung der Finanzverwaltung in Umwandlungsfällen vorsichtshalber stets berücksichtigt werden.

Stefan Hamacher, LL.M.

Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

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Julien Jeuckens

Steuerberater

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