Kippt die Mehrfachbesteuerung bei falsch erfassten Reihengeschäften?

Doppelte Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs?

B ist ein Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden. B fungierte als Vermittler in Reihengeschäften. Hierzu erwarb B Gegenstände von BOP, einem in Polen ansässigen Unternehmen und verkaufte diese an eigene Abnehmer. Der Versand der Gegenstände erfolgte unmittelbar von BOP an die Kunden von B. B war in den Niederlanden und Polen mehrwertsteuerlich registriert.

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B ordnete die bewegte Lieferung dem ersten Umsatz (Lieferung von BOP an B) zu. Entsprechend trat er gegenüber BOP mit seiner polnischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IDNr.) auf. BOP rechnete eine innerstaatliche, in Polen steuerbare und -pflichtige Lieferung an B ab. B deklarierte in Polen innergemeinschaftliche Lieferungen an seine Kunden, die wiederum innergemeinschaftliche Erwerbe (im Weiteren: igE) im Bestimmungsland anmeldeten. Der polnische Fiskus ordnete jedoch die bewegte Lieferung dem ersten Umsatz zu. Demnach sei der erste Umsatz die innergemeinschaftliche Lieferung, die B im Bestimmungsland als igE hätte melden müssen. Der zweite Umsatz wäre dann als innerstaatlicher Umsatz im Bestimmungsland von B zu besteuern.

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Da B die polnische USt-IDNr. verwendete, also nicht die des Mitgliedstaats, in dem die Beförderung der Gegenstände endete, verlangte die polnische Steuerbehörde die Abführung der Umsatzsteuer auf den igE in Polen (Art. 41 MwStSystRL), ohne, dass B ein korrespondierender Vorsteuerabzug zustand. B zog nun vors Finanzgericht. Dieses hatte Zweifel, ob es zulässig ist, den igE in Polen durch B ein zweites Mal zu besteuern, wenn schon die Abnehmer von B diesen im Bestimmungsland versteuert hatten.

Auffassung des Generalanwalts

Der Generalanwalt geht auch davon aus, dass die Besteuerung des igE durch die Abnehmer von B nicht geeignet ist, um den Korrekturmechanismus des Art. 41 S. 2 MwStSystRL auszulösen. Dieser besagt, dass die Besteuerung eines igE im Mitgliedstaat der verwendeten USt-ID Nr. (hier: Polen) nur so lange aufrechterhalten bleibt, bis die Besteuerung im Bestimmungsland nachgewiesen wird. Die Besteuerung hätte aber durch B erfolgen müssen, nicht durch seine Abnehmer.

Allerdings sieht der Generalanwalt ein anderes Problem. Die Lieferung an B wurde zwar als innergemeinschaftliche Lieferung eingestuft, konnte aber nicht steuerfrei erfolgen, da B die polnische USt-IDNr. verwendete. Hierdurch ergab sich eine Mehrfachbelastung mit Umsatzsteuer, da B hieraus kein Vorsteuerabzug zustand. Laut Generalanwalt steht dies der Anwendung des Art. 41 MwStSystRL entgegen.

Konsequenzen

Positiv ist, dass der Generalanwalt sich gegen die Mehrfachbelastung mit Umsatzsteuer in derart falsch eingestuften Reihengeschäften wendet. Es bleibt abzuwarten, ob der EuGH dem Generalanwalt folgt. Bis dahin sollten aber Veranlagungen mit Verweis auf das ausstehende Urteil in vergleichbaren Fällen offengehalten werden. 

Der Fall betrifft die Rechtslage bis zum 31.12.2019, d.h. vor Einführung der Quick Fixes. Bis dahin dürfte die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz (UStG) vergleichbar sein (§§ 3d, 14c, 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG). Ob der Fall aktuell auch noch so bewertet wird, bleibt abzuwarten. Der Generalanwalt würde zumindest dann der Auffassung der Klägerin folgen. 

Sollten Sie angesichts der Komplexität der Materie ins Grübeln gekommen sein, ob Sie Ihre Reihengeschäfte korrekt erfassen, so stehen Ihnen unsere Experten gerne mit Rat und Tat zur Seite.

Klaus Altendorf

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater

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