Neue EU-Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung für Unternehmen im Überblick

Standardisierung der Nachhaltigkeitsberichtspflichten

Mit der Erweiterung und Standardisierung der Nachhaltigkeitsberichtspflichten beabsichtigt die Europäische Kommission, Nachhaltigkeitsaspekte in den Mittelpunkt unternehmerischen Handelns zu stellen und Finanzströme in nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten zu lenken. Um dies zu ermöglichen, ist eine vergleichbare und verlässliche Berichterstattung unerlässlich. Daher hat die EU-Kommission die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) – parallel zum Gesetzgebungsprozess der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) – damit beauftragt, als fachlichen Ratschlag Entwürfe für verpflichtend anzuwendende EU-Berichtsstandards zur Nachhaltigkeit (die European Sustainability Reporting Standards [ESRS]) und damit die konkreten Details der zukünftigen Berichtsanforderungen zu erarbeiten.

Die EU-Kommission ist schließlich nach Anhörung und Konsultation einer Reihe von weiteren EU-Institutionen dazu ermächtigt, die Entwürfe der ESRS als delegierte Rechtsakte im Rahmen der CSRD zu erlassen, wodurch die EU-Berichtsstandards für die betroffenen Unternehmen verbindlich werden.

Nach dem Abschluss der Trilogverhandlungen zwischen EU-Kommission, dem EU-Parlament sowie dem Rat der EU und der Einigung über den CSRD-Entwurf am 21.6.2022 wurde inzwischen der vorläufige Richtlinientext auf der Website des Europäischen Ministerrats veröffentlicht. Dieser muss nun noch formell verabschiedet werden. Über die wesentlichen Auswirkungen der CSRD auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen haben wir Sie in unserem Blogbeitrag vom 29.6.2022 informiert.

Überblick zur Ausgestaltung der ESRS-Konsultationsentwürfe

Im ersten Quartal des Jahres 2022 hatte eine für diesen Zweck eingerichtete Arbeitsgruppe der EFRAG, die Project Task Force on European Sustainability Reporting Standards (PTF-ESRS), zunächst sukzessive 24 Working Papers zu den ESRS veröffentlicht, um der interessierten Öffentlichkeit möglichst frühzeitig und transparent einen Einblick in die vorgesehenen Inhalte der Berichtsstandards zu geben. Durch Streichungen, Zusammenfassungen und Verschiebungen von Berichtsanforderungen in die Anwendungsleitlinien (Application Guidance) wurden diese auf 13 Konsultationsentwürfe reduziert, wodurch sich die Zahl der anzugebenden Nachhaltigkeitsinformationen um knapp ein Drittel vermindert hat. Die am 29.4.2022 veröffentlichten Konsultationsentwürfe konnten noch bis zum 8.8.2022 kommentiert werden.

Die ESRS-Konsultationsentwürfe enthalten zunächst zwei Standards zu themenübergreifenden Grundsätzen und Angaben, sogenannte Querschnittsnormen. Die elf themenspezifischen Standards gliedern sich nach den bekannten ESG-Kriterien, das heißt, sie umfassen Umwelt-, Sozial- und Governanceaspekte. Daneben soll es rund 40 sektorspezifische Standards geben, die nicht zur Konsultation gestellt werden.

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Die themenübergreifenden Standards haben u.a. die zwei grundlegenden Prinzipien der „doppelten Wesentlichkeit“ und der „widerlegbaren Vermutung bei der Bestimmung von wesentlichen Angaben“ zum Gegenstand. Demnach müssen berichtspflichtige Unternehmen zum einen immer sowohl die Inside-out- als auch die Outside-in-Perspektive einnehmen. Sie müssen also jeweils umschreiben, welche Auswirkungen das Unternehmen auf seine Umwelt und welche Auswirkungen die Umwelt auf das Unternehmen hat. Zum anderen sollen die der Berichtspflicht unterliegenden Unternehmen die Vielzahl an Berichtsanforderungen dahingehend überprüfen, ob sie für das Unternehmen wesentlich sind.

Die themenspezifischen Standards folgen grundsätzlich einem einheitlichen Aufbau. Nach einer einleitenden Definition der jeweiligen Zielsetzung und einer Erläuterung der Wechselwirkung mit anderen ESRS folgen Berichtsanforderungen, die im Zusammenhang mit ESRS 2 – Strategie, Governance und Wesentlichkeitsbewertung stehen. Dem schließen sich Berichtsanforderungen zu Konzepten, Zielgrößen, Maßnahmenplänen und Ressourcen sowie Berichtsanforderungen zur Leistungsmessung an. Die Anhänge beinhalten regelmäßig Definitionen sowie Anwendungsleitlinien, die die Berichtsanforderungen der ESRS präzisieren und erweitern.

Berücksichtigung internationaler Rahmenwerke

Bei der Entwicklung der ESRS sollte die EFRAG bestehende internationale Standards und Rahmenwerke berücksichtigen, um Unternehmen, die bereits über Nachhaltigkeitsaspekte berichten, den Übergang zu erleichtern, unnötige regulatorische Fragmentierung zu vermeiden und das Risiko uneinheitlicher Berichterstattungsanforderungen zu verringern. Im Fokus steht mit Blick auf internationale Investoren insbesondere eine möglichst weitgehende Konvergenz mit den Standardentwürfen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung des neu gegründeten International Sustainability Standards Board (ISSB), der u.a. mit der Global Reporting Initiative (GRI) kooperiert.

Bereits am 31.3.2022 hat der ISSB zwei Entwürfe seiner Nachhaltigkeitsstandards zur Konsultation veröffentlicht. Die Standards thematisieren die allgemeinen Berichtsanforderungen zur Nachhaltigkeit (Exposure Draft IFRS S1) und die Klimaberichterstattung (Exposure Draft IFRS S2). Thematisch bestehen insbesondere bei den klimabezogenen Berichtsanforderungen große Schnittmengen. Konzeptionell verfolgen die ESRS mit dem Konzept der doppelten Wesentlichkeit und die ISSB-Berichtsentwürfe mit dem shareholderorientierten Konzept der Darstellung der Wertschöpfung im Unternehmen allerdings grundlegend divergierende Ansätze.

Hinsichtlich der Nachhaltigkeitsaspekte Soziales und Governance ist die EFRAG den internationalen Standardsettern einen Schritt voraus, da sich diese bisher überwiegend mit der umweltbezogenen Berichterstattung auseinandergesetzt haben. Damit hat die EU die Chance, in diesen Bereichen eine Vorreiterrolle einzunehmen.

Unternehmen sollten sich schrittweise mit den neuen Anforderungen vertraut machen 

Die Konsultationsfrist zu den ESRS-Entwürfen endet am 8.8.2022. Gemäß Art. 29b des aktuell vorliegenden Kompromisstextes zum CSRD-Entwurf soll die EU-Kommission die zwei Querschnittsstandards und die elf themenspezifischen Standards bis zum 30.6.2023 in Form von delegierten Rechtsakten erlassen. Der Erlass von sektorspezifischen Standards und von Standards zu weitergehenden Informationen soll bis zum 30.6.2024 erfolgen. Die Fristen wurden durch die Einigung im Trilog somit um acht Monate verschoben, was der EU-Kommission und den betroffenen Unternehmen Zeit geben dürfte, um sich eingehend mit den Konsultationsentwürfen zu beschäftigen.

 

Blogserie „Nachhaltigkeit“

Thomas Bernhardt

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater

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Andreas Stamm

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Annika Brüning

Managerin

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