Vereinbarung zur Begrenzung der Geschäftsführerhaftung sind unwirksam

 

Kernaussage

Tätigt die GmbH-Geschäftsführung nach Eintritt der Insolvenzreife noch Zahlungen für die GmbH, haftet sie nach dem Gesetz hierfür (früher geregelt in § 64 GmbH-Gesetz alte Fassung [§ 64 S. 1 GmbH a.F.], seit 1.1.2021 normiert in §§ 15a und b Insolvenzordnung [InsO]). Hintergrund der Bestimmung ist die Verpflichtung des Geschäftsführers, Insolvenzantrag zu stellen, wenn bei der GmbH Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung eintreten. Kommt er dieser Pflicht nicht rechtzeitig nach, haftet er für alle Zahlungen, die nach Eintritt der Insolvenzreife noch erfolgen. Sinn und Zweck des Haftungsanspruchs ist es, einen etwaigen Schaden der Gläubiger auszugleichen und die Masse nicht zu schmälern. Diese Haftung kann im Vorfeld weder ausgeschlossen noch begrenzt werden. Der Bundesgerichtshof entschied kürzlich, dass eine Vereinbarung über derlei Ansprüche der GmbH gegen ihren Geschäftsführer auch dann dem Verzichts- und Vergleichsverbot unterliegt, wenn ihr der vorläufige Insolvenzverwalter zugestimmt hat.

Sachverhalt

Die beklagte Geschäftsführerin und Mehrheitsgesellschafterin hatte „ihrer“ insolventen GmbH (Schuldnerin) mehrere besicherte Darlehen gewährt. Die GmbH stellte im April 2015 Insolvenzantrag; der Kläger wurde zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens schloss die insolvente GmbH Schuldnerin mit der beklagten (Mehrheits)gesellschafter-Geschäftsführerin mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters eine Vereinbarung, mit der die Beklagte auf Sicherungsrechte verzichtete, deren Bestellung nach Ansicht des vorläufigen Insolvenzverwalters im Insolvenzverfahren anfechtbar war. Zudem erklärte die insolvente GmbH, dass falls die Beklagte gesetzlich für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife der GmbH haften müsse (§ 64 S. 1 GmbH a.F.), von diesem Haftungsanspruch der Wert der Sicherungsrechte - auf die die Beklagte im Wege der Vereinbarung verzichtet hatte - abzuziehen sei. Es kam wie es kommen musste: nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verlangte der klagende Insolvenzverwalter aufgrund einer Haftung für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife (§ 64 S. 1 GmbHG a.F.) die Zahlung von rd. 570.000 €. Er war dabei der Meinung, dass der Anspruch gerade nicht um den Wert der Sicherungsrechte, auf die die Beklagte verzichtet hatte, zu mindern sei und bekam Recht.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof (BGH) urteilte, dass die Vereinbarung zur Begrenzung des etwaigen Haftungsanspruchs nach § 64 S. 1 GmbHG a.F. unwirksam sei; und zwar auch dann, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter der Vereinbarung zugestimmt habe. Denn auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter, auf den die Verwaltungs- und Verwertungsbefugnis noch nicht übergegangen ist (sogenannter „schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter“), gelte das gesetzliche Verzichts- und Vergleichsverbot. Nach diesem Verbot kann eine insolvente Gesellschaft nicht auf Ersatzansprüche verzichten oder sich hierüber vergleichen, soweit der Ersatzanspruch zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist.

Konsequenz

Die Richter stellten mit der Entscheidung klar, dass das gesetzliche Verzichts- und Vergleichsverbot auch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (aber nach Antragstellung) zumindest dann gilt, wenn das Insolvenzgericht einen so genannten „schwachen“ Insolvenzverwalter bestellt hat und die insolvente GmbH nur unter dessen Zustimmung Handlungen vornehmen darf. Erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Insolvenzverwalter Verzichts- und Vergleichsvereinbarungen treffen, soweit das Gläubigerinteresse nicht entgegensteht. Das Urteil gilt auch für die neue Gesetzesfassung (§ 15 a und b InsO); Geschäftsführer müssen daher nach wie vor ein Haftungsrisiko im Blick haben.

BGH, Urteil vom 20.04.2021, II ZR 387/18

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