Erstattungsanspruch des Arbeitgebers für interne Ermittlungen

Kernaussage

Grundsätzlich gilt im Arbeitsrecht, dass bei außergerichtlichen Angelegenheiten und auch in der ersten Instanz jede Partei die Kosten für einen beauftragten Rechtsanwalt – unabhängig vom Ausgang des Verfahrens – selbst tragen muss. Etwas anderes kann aber für Kosten gelten, die der Arbeitgeber für notwendige Ermittlungen wegen möglicher Compliance-Verstöße aufwendet. Hier besteht unter Umständen ein Erstattungsanspruch. Dies hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 29.4.2021 klargestellt.

Landesarbeitsgericht: Teilweiser Anspruch auf Kostenerstattung

Im konkreten Fall erhielt ein Unternehmen mehrere anonyme Verdachtsmeldungen wegen möglicher Compliance-Verstöße eines leitenden Mitarbeiters. Das Unternehmen leitete daraufhin interne Ermittlungsmaßnahmen durch eine Anwaltskanzlei ein. Ergebnisse dieser Ermittlungen waren u.a., dass der leitende Angestellte auf Kosten des Unternehmens zu privaten Essen eingeladen sowie auch Reisekosten zu Champions-League-Spielen abgerechnet hatte. Das Unternehmen kündigte im nächsten Schritt das mit dem leitenden Angestellten bestehende Arbeitsverhältnis fristlos. Gleichzeitig verlangte das Unternehmen klageweise die Erstattung der für die Ermittlungen entstandenen Kosten der Anwaltskanzlei von dem gekündigten Arbeitnehmer. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg entschied, dass das Unternehmen Anspruch auf Erstattung der Kosten habe, die durch die Tätigkeit der Anwaltskanzlei bis zum Ausspruch der Kündigung entstanden seien. Darüber hinausgehende Kosten, insbesondere zur Vorbereitung möglicher Schadensersatzansprüche, seien nicht erstattungsfähig – so das Landesarbeitsgericht.

Bundesarbeitsgericht weist Ansprüche gänzlich ab

Das Bundesarbeitsgericht wies die Klage des Unternehmens in der nächsten Instanz vollständig ab. Es stellte zwar zunächst klar, dass notwendige Ermittlungskosten des Arbeitgebers grundsätzlich erstattungsfähig sein können, wenn diese aufgrund eines konkreten Verdachts schwerwiegender vorsätzlicher Vertragspflichtverletzungen entstanden sind. Im konkreten Fall habe der Arbeitgeber allerdings im Prozess nicht ausreichend dargelegt, welche Tätigkeiten bzw. Ermittlungen wann und in welchem zeitlichen Umfang wegen welchen konkreten Verdachts von der Kanzlei ausgeführt wurden. Daher war im Ergebnis in diesem Fall die Klageabweisung die rechtliche Folge.

Konsequenz

Das Urteil ist – trotz der Klageabweisung im konkreten Einzelfall – richtungsweisend und setzt im Ergebnis auch die bisherige Tendenz des Bundesarbeitsgerichts in Fragen dieser Art fort. Es bestätigt vor allem, dass Arbeitgeber grundsätzlich einen Erstattungsanspruch für Ermittlungskosten haben können. Gleichzeitig stellt es aber auch Vorgaben zur Darlegung und Nachweisbarkeit der Kosten und ihrer Erforderlichkeit dar, die sicherlich für zukünftige Verfahren dieser Art hilfreich sind. Eine komplette Darstellung aller Ermittlungstätigkeiten unter Bezugnahme auf die jeweils einzelnen veranlassenden Verdachtsmomente wird in jedem Fall immer erforderlich sein.

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Alexandra Hecht

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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