Was sich jetzt für Betreiber von Online-Shops ändert

 

Zum 1.7.2021 hat das Digitalpaket der EU die umsatzsteuerliche Erfassung des E-Commerce grundlegend reformiert. Neben drastisch gesenkten Lieferschwellen und neuen Steuersätzen gilt es, sich auch mit dem neuen One-Stop-Shop(OSS)-Verfahren vertraut zu machen. Was sich aus steuerrechtlicher Sicht im Detail geändert hat und was Betreiber von Online-Shops beachten sollten, wenn sie noch nicht tätig geworden sind, erklären unsere Experten.

Was sind die wesentlichen Änderungen, die das Digitalpaket mit sich bringt?

Gert Klöttschen: Die Änderungen betreffen den Versandhandel an Privatpersonen in den übrigen Mitgliedstaaten der EU. Eine einheitliche, gravierend reduzierte Umsatzschwelle löst die bisher länderspezifischen Lieferschwellen ab. Hierdurch erbringen zukünftig wesentlich mehr Versandhändler als bisher steuerpflichtige Umsätze in anderen EU-Mitgliedstaaten. Um den damit verbundenen Deklarationsaufwand zu reduzieren, wird die Deklaration dieser Umsätze vereinfacht, indem diese über das OSS-Verfahren in Deutschland deklariert und abgeführt werden können statt vor Ort. Dies gilt dann auch für Dienstleistungen, die sich an Privatkunden im EU-Ausland richten und dort steuerpflichtig sind, z.B. die Vermietung von Ferienhäusern. Weitere Änderungen betreffen die Einführung fiktiver Lieferungen für Portalbetreiber sowie die Streichung der Einfuhrumsatzsteuer-Befreiung für Kleinsendungen bis 22 €.

Worauf müssen Betreiber von Online-Shops hinsichtlich der Umsatzschwellen besonders achten?

Oliver Lohmar: Wer über seinen Online-Shop Waren an Verbraucher im europäischen Ausland vertreibt, hatte bereits die Lieferschwelle zu beachten. Dabei galt bislang für jedes europäische Land eine eigenständig zu überwachende Lieferschwelle. Wurden z.B. Waren im Wert von mehr als 35.000 € nach Österreich versendet, musste sich der Unternehmer in Österreich registrieren und dort Umsatzsteuererklärungen abgeben. An dieser Stelle greift eine gravierende Änderung: Seit dem 1.7.2021 gilt nur noch eine einheitliche und deutlich reduzierte Umsatzschwelle. Künftig verlagert sich die Steuerpflicht für einen Fernverkauf bereits, wenn der Gesamtbetrag der Entgelte für innergemeinschaftliche Fernverkäufe in der gesamten europäischen Union 10.000 € übersteigt. Zu beachten ist, dass in die Bemessung der Umsatzschwelle auch die auf elektronischem Wege erbrachten Dienstleistungen einzubeziehen sind. Es lässt sich aber festhalten, dass der Überwachung der Umsatzschwelle in Zukunft keine allzu hohe Bedeutung mehr zukommt, weil sie eben nicht mehr länderbezogen ist und von den meisten Unternehmen relativ schnell überschritten sein dürfte.

Und woher weiß ich nun als Händler, welchen Steuersätzen meine Produkte unterliegen?

Gert Klöttschen: Gute Frage; das ist aktuell die größte Herausforderung für Online-Händler. Denn die Steuersätze sind in der EU nicht harmonisiert. Klar ist lediglich, dass es einen Normalsteuersatz sowie ermäßigte Steuersätze innerhalb bestimmter Bandbreiten gibt; mehr nicht. Der Online-Händler muss daher die Steuersätze der von ihm vertriebenen Produkte in jedem Mitgliedstaat in Erfahrung bringen, um die Umsatzsteuer zutreffend zu ermitteln und richtig zu kalkulieren. Die EU plant ein Portal, in dem auf Basis der Zolltarifnummer die Steuersätze abrufbar sind. Eingerichtet ist dies bislang jedoch nicht und das Ergebnis der Abfrage soll zudem nicht verbindlich sein. Die derzeitigen Veröffentlichungen der EU hierzu sind mit Vorsicht zu genießen, da sie häufig veraltet sind. Fakt ist: Je größer die Produktpalette ist und je mehr EU-Staaten beliefert werden, umso aufwendiger ist die manuelle Bestimmung der Steuersätze. In solchen Fällen ist dann der Einsatz geeigneter Softwaretools zu prüfen.

Was hat es mit dem MOSS-Verfahren auf sich und wieso wird hieraus nun ein OSS-Verfahren?

Oliver Lohmar: Das MOSS-Verfahren, also das Mini-One-Stop-Shop-Verfahren, wurde bereits 2015 eingeführt und vereinfacht seitdem die steuerliche Deklaration für Unternehmen, die in sehr vielen europäischen Ländern aktiv sind. Über das MOSS-Verfahren konnten Unternehmen bislang insbesondere die auf elektronischem Wege erbrachten Dienstleistungen, wie z.B. Software-Downloads oder den Verkauf von E-Books, für sämtliche europäischen Länder zentral deklarieren. Dieses Verfahren wird nun auf die innergemeinschaftlichen Fernverkäufe ausgeweitet. Der in Deutschland ansässige Betreiber eines Online-Shops muss sich nun nicht mehr im Ausland registrieren, sondern kann die ausländische Umsatzsteuer über das OSS-Verfahren beim Bundeszentralamt für Steuern, kurz BZSt, erklären. Das BZSt überweist diese Steuer dann an die betroffenen Mitgliedstaaten. Das OSS-Verfahren ist damit gerade für Online-Händler, die in sehr vielen europäischen Ländern aktiv sind, eine Erleichterung.

Gilt dies alles auch für Händler, die am Amazon-FBA-Programm teilnehmen, ihre Ware also über Amazon vertreiben?

Gert Klöttschen: Die Neuregelungen betreffen alle Versandhändler, die Fernverkäufe erbringen, egal ob sie über Amazon, andere Plattformen oder einen eigenen Webshop verkaufen. Allerdings führt die Nutzung des Amazon-FBA-Programms dazu, dass die Vorteile des OSS-Verfahrens, also die Vermeidung aufwendiger Umsatzsteuer-Deklarationen im EU-Ausland nicht umfassend genutzt werden können. Ursächlich hierfür ist, dass die Teilnahme am FBA-Programm die Nutzung der Lagerlogistik Amazons beinhaltet. Dies ermöglicht z.B. Prime-Lieferungen, führt aber vor der Auslieferung zu ständigen Bewegungen in und zwischen den Lagern, die sich im EU-Ausland befinden. Das Verbringen sowohl in als auch zwischen den Lagern ist unverändert in den betroffenen Mitgliedstaaten zu deklarieren, ebenso wie Lieferungen aus diesen Lagern an Endkunden im gleichen Mitgliedstaat, da dies keine Fernverkäufe sind, sondern Inlandslieferungen im jeweiligen Mitgliedstaat. Hierfür gilt das OSS-Verfahren nicht. Deshalb ist es jetzt wichtig, die Vor- und Nachteile der Teilnahme am FBA-Programm angesichts der vereinfachten, kostengünstigeren Umsatzsteuer-Deklaration erneut auf den Prüfstand zu stellen.

Was ist Betreibern von Online-Shops also zu raten, die bislang noch nicht tätig geworden sind?

Oliver Lohmar: Wer die Umsatzschwelle von 10.000 € im Kalenderjahr 2020 oder im ersten Halbjahr 2021 überschritten hat, unterliegt seit dem 1.7.2021 ab dem ersten Euro der neuen Fernverkaufsregelung und kann von dem OSS-Verfahren Gebrauch machen. Wir raten solchen Unternehmen, sich in jedem Fall für das OSS-Verfahren zu registrieren und in der Übergangsphase gegebenenfalls sogenannte Nullmeldungen abzugeben. Unternehmen, die bislang bereits im europäischen Ausland für umsatzsteuerliche Zwecke registriert waren, müssen zudem prüfen, ob dies noch nötig ist oder ob sie sich austragen lassen können. Eine besondere Herausforderung beim OSS-Verfahren liegt darin, die korrekten ausländischen Steuersätze zu ermitteln. Hierauf müssen Unternehmen rechtzeitig mit einer Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung ihrer EDV-Systeme reagieren und sollten sich erforderlichenfalls nach einer geeigneten technischen Lösung umsehen. Hierbei können wir unterstützen.

Gert Klöttschen

Steuerberater

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Oliver Lohmar, LL.M.

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