Wann braucht die GmbH einen Notgeschäftsführer?

Kernaussage

Jede GmbH hat nach dem GmbH-Gesetz zwei notwendige Organe: die Gesellschafterversammlung und den oder die Geschäftsführer. Als juristische Person benötigt jede GmbH diese Organe, um handlungsfähig zu sein. In der Praxis kommt es aber bisweilen aus unvorhergesehenen Gründen vor, dass eine GmbH nicht mehr über einen Geschäftsführer verfügt, das Amt also unbesetzt ist, etwa durch Tod, Abberufung oder Amtsniederlegung des bisherigen Geschäftsführers. Um die Handlungsfähigkeit der GmbH wiederherzustellen, muss dann ein Notgeschäftsführer bestellt und die Bestellung ins Handelsregister eingetragen werden. Der Notgeschäftsführer hat die gleichen Befugnisse wie ein „normaler“, also satzungsgemäß bestellter Geschäftsführer. In besonderen Fällen kann das Gericht auf Antrag auch nur eines Gesellschafters einen Notgeschäftsführer bestellen. Dieser starke Eingriff in die Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter soll nach dem Düsseldorfer Oberlandesgericht auch zulässig sein, wenn ansonsten aufgrund einer umfassenden rechtlichen und wirtschaftlichen Auseinandersetzung von zwei an der GmbH beteiligten Familienstämmen die GmbH handlungsunfähig wäre.

Sachverhalt

An einer GmbH waren zwei Familienstämme beteiligt, von denen der Vertreter eines Stamms (nach dem Tod seines Bruders, der ebenfalls Geschäftsführer war) der alleinige Geschäftsführer war. Auf Antrag des anderen – wesentlich beteiligten – Stamms hatte das Landgericht Düsseldorf dem Geschäftsführer durch einstweilige Verfügung untersagt, seine Befugnisse als Geschäftsführer auszuüben, mit der Begründung, er habe sich über mehrere Jahre als Allein-„Herrscher“ der GmbH aufgeführt und den anderen Familienstamm bewusst benachteiligt, um diesen aus der GmbH zu drängen. Ihm wurde vorgeworfen, Entnahmen zur Zahlung von Steuern verweigert und eigenmächtig Streichungen aus der Gesellschafterliste der GmbH vorgenommen zu haben. Auf den weiteren Antrag des gleichen Stamms hin hatte das zuständige Registergericht sodann einen Notgeschäftsführer für die GmbH bestellt, weil die Familienstämme untereinander keine Einigung bezüglich eines Geschäftsführers erzielen konnten. Die dagegen vom betroffenen Geschäftsführer eingelegte Beschwerde blieb ohne Erfolg.

Entscheidung

Nach Ansicht der Düsseldorfer Richter lagen die Voraussetzungen einer Notgeschäftsführerbestellung vor. Gemäß der entsprechend anzuwendenden vereinsrechtlichen Bestimmung (§ 29 BGB) ist es erforderlich, dass „ein für die organschaftliche Vertretung der GmbH unentbehrlicher Geschäftsführer fehlt oder aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen an der Geschäftsführerbestellung gehindert ist“. Zudem muss die Bestellung des Notgeschäftsführers dringlich sein, um den damit verbundenen wesentlichen Eingriff in das originäre Recht der Gesellschafter zur Geschäftsführerbestellung (§ 46 Nr. 5 GmbHG) zu rechtfertigen. Aufgrund der unbefristeten einstweiligen gerichtlichen Verfügung gegen den vormals amtierenden Geschäftsführer fehlte es an einer organschaftlichen Vertretung der GmbH. Darüber hinaus wurden umfassende rechtliche und wirtschaftliche Streitigkeiten zwischen den beiden Familienstämmen ausgetragen. Die Richter meinten, eine solche Lagerbildung sei vergleichbar mit einem Streit zwischen Gesellschaftergeschäftsführern in einer Zweipersonen-GmbH mit wechselseitigen Abberufungs- und Ausschließungsbeschlüssen; bei solchen Sachverhalten sei die Bestellung eines Notgeschäftsführers ebenfalls zulässig. Sie bejahten auch die Dringlichkeit der Bestellung, denn die GmbH müsse gegenüber staatlichen Stellen auftreten und handelsrechtliche Pflichten erfüllen.

Konsequenz

Die Entscheidung trägt der Notwendigkeit Rechnung, die Handlungsfähigkeit einer GmbH selbst bei Lagerbildung innerhalb des Gesellschafterkreises bzw. bei zerstrittenen Familienstämmen sicherzustellen. Ohne die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers könnte eine GmbH in solchen Konstellationen nicht mehr aktiv am Rechtsverkehr teilnehmen. Zu beachten ist, dass das Amt des bestellten Notgeschäftsführers erst dann endet, wenn die Gesellschafterversammlung als zuständiges Organ die erforderliche Anzahl an Geschäftsführern bestellt. Eine Abberufung des Notgeschäftsführers kommt – selbst bei Vorliegen eines wichtigen Grundes – nicht in Betracht; dies obliegt allein dem Registergericht.

Dr. Andreas Rohde

Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht

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Christina Schrey

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Steuerrecht

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