Umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft von Mitgliedern eines Aufsichtsrats

Hintergrund

Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Nach bislang ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und der gleichlautenden Verwaltungsauffassung wurden Aufsichtsratsmitglieder in Deutschland regelmäßig als umsatzsteuerliche Unternehmer behandelt. Dies hatte zum einen zur Folge, dass Aufsichtsräte für ihre Tätigkeit Umsatzsteuer ausweisen und abführen mussten. Für die jeweiligen Gesellschaften blieb dies in aller Regel ohne Folge, da sie aus den Leistungen der Aufsichtsräte den Vorsteuerabzug geltend machen konnten. Zusätzlich ermöglichte es jedoch auch den Aufsichtsratsmitgliedern, für die bezogenen Eingangsleistungen den Vorsteuerabzug geltend zu machen. Nachdem der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) im Juni 2019 zur umsatzsteuerlichen Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern Stellung genommen hatte, urteilte nun auch der Bundesfinanzhof in der Angelegenheit.

Abkehr von der bisherigen Rechtslage

Während der Bundesfinanzhof bislang stets die Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern bejahte, schloss er sich nun den vom EuGH aufgestellten Rechtsgrundsätzen an. Danach ist ein Mitglied eines Aufsichtsrats dann nicht selbstständig tätig und somit zumindest dann kein Unternehmer, wenn es nicht in eigenem Namen, für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handelt und dabei auch nicht das wirtschaftliche Risiko seiner Tätigkeit trägt. Letzteres machten EuGH und Bundesfinanzhof daran fest, dass das Aufsichtsratsmitglied im Streitfall eine feste Vergütung ohne jegliche variable Vergütungsbestandteile erhielt, die weder von der Teilnahme an Sitzungen noch von seinen tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden abhängig war. Entscheidungserheblich war insofern auch, dass eine durch das Aufsichtsratsmitglied begangene Fahrlässigkeit keine unmittelbaren Auswirkungen auf seine Vergütung hatte.

In welchen anderen Fällen die Tätigkeit als Mitglied eines Aufsichtsrats demgegenüber weiterhin als unternehmerisch ausgeübt anzusehen sein könnte, hatte der Bundesfinanzhof nicht zu entscheiden und bleibt insofern vorerst offen.

Implikationen

Die Finanzverwaltung geht in ihrer Verwaltungsanweisung bislang noch davon aus, dass Aufsichtsräte Unternehmer sind. Es ist angesichts der Entscheidungen von EuGH und Bundesfinanzhof davon auszugehen, dass die entsprechende Anweisung demnächst geändert wird. Spätestens dann sollten betroffene Unternehmen und Aufsichtsratsmitglieder ihre Situation auf Einzelfallbasis überprüfen lassen, um die Änderung der Rechtsprechung insbesondere bei der Rechnungsschreibung schnellstmöglich berücksichtigen zu können. Denn wird der Aufsichtsrat nicht als Unternehmer tätig, die Aufsichtsratsvergütung aber trotzdem mit Umsatzsteuer abgerechnet, liegt ein Fall des unberechtigten Steuerausweises vor.

Für Aufsichtsratsmitglieder, die bislang von der Kleinunternehmerregelung (beachte: Umsatzgrenze seit 2020 bei 22.000 €) Gebrauch gemacht haben, kommt es im Ergebnis auch nach der neuen Rechtsprechung nicht zu einer Änderung.

Gert Klöttschen

Steuerberater

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Oliver Lohmar, LL.M.

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