Bundesfinanzhof klärt Voraussetzungen für die Istbesteuerung

Rechtslage

Die Istbesteuerung kann aktuell u.a. von Unternehmern beantragt werden, die im Vorjahr nicht mehr als 600.000 € Gesamtumsatz gemäß § 19 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG) getätigt haben.

Fall (vereinfacht)

Das klagende Unternehmen (im Folgenden die Klägerin) wurde im September 2011 gegründet. Im Fragebogen zur steuerlichen Registrierung schätzte die Klägerin ihre Umsätze für 2011 mit 30.000 € und für das Folgejahr mit 100.000 € und beantragte daher die Istbesteuerung, der das Finanzamt entsprach.

Im November 2011 verpflichtete sich die Klägerin, für einen Kunden eine Photovoltaikanlage zu errichten, deren Inbetriebnahme bis zum 31.12.2011 erfolgen sollte. Das Entgelt für die Photovoltaikanlage betrug 1.258.000 € und war nur insoweit fällig, als es vom Kunden aus den Vergütungen für die laufende Stromeinspeisung beglichen werden konnte.

Die Klägerin deklarierte im Jahr 2011 lediglich die vereinnahmten Entgelte. Dem folgte das Finanzamt nicht. Strittig war, ob das Finanzamt gegenüber der Klägerin die Genehmigung der Istbesteuerung zurücknehmen konnte, um die Umsätze der Sollbesteuerung zu unterwerfen, was zu erheblichen Nachzahlungen führte.

Entscheidung

Laut Bundesfinanzhof ist bei Gründung eines Unternehmens in Ermangelung eines Vorjahresumsatzes auf den voraussichtlichen Gesamtumsatz des Gründungsjahrs abzustellen. Dieser ist nach den Grundsätzen der Sollbesteuerung zu schätzen und auf das volle Kalenderjahr hochzurechnen. Insoweit hatte die Klägerin schon mit der ersten Teilrechnung über 450.000 €, auf das Gesamtjahr hochgerechnet, die Umsatzgrenze für die Istbesteuerung überschritten.

Die Rücknahme der Genehmigung der Istbesteuerung war auch nicht rechtswidrig. Denn die Klägerin hatte die Genehmigung durch unzutreffende Angaben erwirkt, da es hierfür keine Grundlage gab, wie die Klägerin in der Vorinstanz bestätigt hatte.

Konsequenz

Der Bundesfinanzhof klärt mit dem Urteil, wie die Umsatzgrenze im Gründungsjahr zu ermitteln ist. Dabei ist dies nicht nur für die Inanspruchnahme der Istbesteuerung wichtig, sondern auch für die Gewährung der Kleinunternehmerregelung. Es ist zu beachten, dass die Klägerin im vorliegenden Fall nicht scheiterte, weil sich ihre Prognose im Nachhinein nicht bestätigte, sondern die Prognose aus der Luft gegriffen war. Hätte die Klägerin tatsächlich im Zeitpunkt der Abgabe des Antrags noch keine Kenntnis vom Auftrag zur Errichtung der Photovoltaikanlage gehabt und eine fundierte Prognose abgegeben, hätte die Genehmigung der Istbesteuerung nicht zurückgenommen werden können. Wer bei Neugründungen von der Istbesteuerung oder der Kleinunternehmerregelung Gebrauch machen möchte, muss daher plausible und nachvollziehbare Prognosen gegenüber dem Finanzamt abgeben.

Gert Klöttschen

Steuerberater

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