Arbeitnehmerentsendung in Zeiten des Brexits

 

Was ändert sich steuerrechtlich?

Bislang waren die steuerlichen Beziehungen zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich (UK) geprägt durch Privilegien, die allen Bürgern von Mitgliedstaaten der Europäischen Union gewährt werden. Zahlreiche Privilegien in den deutschen Gesetzen, die eine besondere Behandlung für Beziehungen innerhalb der EU vorsehen, sind jedoch gefährdet, da UK nach Ablauf der Übergangsfrist auch steuerlich zum „Drittstaat“ wird. Es bleibt abzuwarten, ob UK Teil des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) wird, da einige steuerrechtliche Regelungen auch hieran anknüpfen (z.B. § 1a EStG).

Grundsätzlich galt jedoch hierüber hinaus stets auch das Abkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung („DBA“) beider Länder, das zuletzt 2010 neu geschlossen wurde. Das DBA hat durch den Brexit nicht seine Gültigkeit verloren, da es sich um einen bilateralen Vertrag beider Staaten handelt. Hierauf können sich Steuerpflichtige also auch nach Ablauf der Übergangsfrist berufen.

Was besagt das DBA im Falle der Arbeitnehmerentsendung?

Die Regelungen des DBA bleiben bestehen, weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer müssen sich insoweit auf Änderungen einstellen. Es gilt weiter folgendes, vereinfachtes Prüfschema:

  • Hält sich der Arbeitnehmer innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten an mehr als 183 Tagen im Gastland auf? Falls ja, wird sein Arbeitslohn im Gastland besteuert. Achtung: Mehrere Kurzaufenthalte sind zusammenzurechnen.
  • Hält sich der Arbeitnehmer zwar weniger als 183 Tage im Gastland auf, aber seine Vergütung wird von einem oder für einen lokalen Arbeitgeber gezahlt, erhält ebenfalls das Gastland das Besteuerungsrecht für seinen Arbeitslohn.
  • Wird die Vergütung zwar nicht von einem lokalen Arbeitgeber, aber von einer lokalen Betriebsstätte im Gastland getragen, führt dies ebenfalls zu einer Besteuerung vor Ort. 

Dabei wird maximal der Teil der Vergütung der Besteuerung im Gastland unterworfen, der auf die Tätigkeit vor Ort entfällt.

Praxistipp: Eine Lohnsteuerabzugsverpflichtung und/oder eine Steuererklärungspflicht kann im Gastland auch schon dann vorliegen, wenn es gemäß den oben beschriebenen Regelungen letztlich gar nicht zu einer Besteuerung im Gastland kommt. Dies sollte immer unabhängig und im Voraus geprüft werden.

Was ändert sich bei der Einkommensteuer?

Zur Abmilderung der Folgen eines „harten Brexits“ wurde das Brexit-Steuerbegleitgesetz vom 29.3.2019 verabschiedet. Es konnten jedoch nicht für alle bisherigen Privilegien eine Neuregelung geschaffen werden. Folgender Einschränkungen sollten sich Arbeitnehmer und ihre Arbeitgeber bewusst sein:

  • Die Vorteile des Ehegattensplittings bei einem Ehepartner, der in UK seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt hat, entfallen,
  • Die Steuervergünstigungen dank fiktiver unbeschränkter Steuerpflicht (§ 1a EStG) entfallen,
  • Die freiwillige Abgabe einer Steuererklärung für in Deutschland beschränkt Steuerpflichtige aus UK ist nicht länger möglich.

Noch besteht die Möglichkeit, dass UK Abschluss der Verhandlungen mit der Europäischen Union dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) beitritt. Sollte dies der Fall sein, würden die oben genannten Privilegien wiederaufleben, da sie für EU- und EWR-Bürger gewährt werden.

Was ändert sich bei der Sozialversicherung?

Die Regelungen zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit innerhalb der EU sind bis zum Ablauf der Übergangsfrist am 31.12.2020 weiter anwendbar, anschließend ist jedoch zu unterscheiden: Begann die Verwirklichung des Sachverhalts (z.B. die Entsendung) bereits vor Ende 2020 oder erst danach?

Für sogenannte Bestandsfälle, d.h. für diejenigen Entsendungen, die bereits vor dem 1.1.2021 begonnen haben, gilt ein Bestandsschutz. Ausgestellte A1-Bescheinigungen bleiben daher bis zu ihrem Ablauf gültig. Es ist sogar eine Verlängerung von maximal 24 Monaten möglich. Voraussetzung ist jedoch, dass der bestehende Sachverhalt weiterhin ohne Unterbrechung unverändert bestehen bleibt. 

Bei Neufällen (Beginn der Entsendung nach dem 31.12.2020) kann keine A1-Bescheinigung mehr beantragt werden. Es sollte jedoch geprüft werden, ob möglicherweise eine Ausstrahlung oder Einstrahlung im Sinne des Sozialgesetzbuches vorliegt.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten sich bewusst sein, dass ein deutsch-britisches Sozialversicherungsabkommen aus dem Jahr 1960 existiert, das ab dem 1.1.2021 geltende Entsendungen ist das zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich geschlossenen Handels- und Kooperationsabkommen maßgeblich. Im Rahmen dieses Abkommens gelten für Personen, die ab dem 01.01.2021 ins Vereinigte Königreich oder nach Deutschland entsandt wurden die bisherigen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit weiter, wenn

•    sie von einem Arbeitgeber entsandt werden, der einen nennenswerte Geschäftstätigkeit im Entsendestaat ausübt, und
•    der Einsatz voraussichtlich 24 Monate nicht überschreitet, und
•    keine zuvor entsandte Person abgelöst wird.

Das bedeutet z. B., dass eine Person auch ab dem 01.01.2021 weiterhin dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegt, wenn sie in das Vereinigte Königreich entsandt wird, wenn auch die sonstigen Entsendevoraussetzungen erfüllt sind. Der Begriff der Entsendung im Rahmen des Handels- und Kooperationsabkommen ist hierbei so auszulegen wie im Rahmen der EG-Verordnungen 883/04 und 987/09.

Probleme mit der Riester-Rente?

Im Brexit-Steuerbegleitgesetz enthalten ist beispielsweise ein Bestandsschutz für Riester-Verträge. Grundsätzlich schafft so der angepasste § 95 Abs. 1 Satz 2 EStG die Voraussetzung dafür, dass eine schädliche Verwendung des Altersvorsorgevermögens nicht eintritt, soweit sich der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt des Zulageberechtigten bereits vor dem Brexit-Referendum (23.6.2016) in UK befand und der Altersvorsorgevertrag vor diesem Datum abgeschlossen worden ist.

Im Falle des Todes des Zulageberechtigten kann gefördertes Altersvorsorgevermögen förderunschädlich auf den überlebenden Ehegatten übergehen. Diese Regelung des § 93 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c EStG gilt auch weiterhin dann, wenn die Ehegatten ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in UK hatten.

Die steuerliche Förderung kann beispielsweise auch zum Aufbau von selbstgenutztem Wohneigentum in Anspruch genommen werden. So ist es möglich, Altersvorsorgevermögen förderunschädlich zu entnehmen, um Wohnungseigentum zu erwerben. Die wohnungswirtschaftliche Verwendung ist dabei auch im europäischen Ausland möglich. Ohne die Sonderregelung im Brexit-Steuerbegleitgesetz wäre automatisch eine steuerschädliche Verwendung im Falle einer Wohnung in UK eingetreten, dies wurde jedoch mit § 92a Abs. 1 Satz 5 EStG vermieden. Voraussetzung ist allerdings, dass der Vertragsabschluss und die Wohnsitzbegründung in UK vor dem Referendum (23.6.2016) stattgefunden haben.

Marko Müller

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater

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Björn Spilles

Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

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Sarah Müngersdorff

Steuerberaterin

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