Nichtbeachtung des Reverse-Charge Verfahrens kann Zinsen kosten

Einführung

Unternehmer müssen in bestimmten Fällen die Umsatzsteuer aus Leistungsbezügen einbehalten und an ihr Finanzamt abführen. Dieses als Reverse-Charge-Verfahren bzw. Umkehr der Steuerschuldnerschaft bezeichnete Procedere dient der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs.

Fall

Der Kläger bezog von 2011 bis 2015 Bauleistungen, die dem Reverse-Charge-Verfahren unterlagen. Statt die Umsatzsteuer einzubehalten und abzuführen, zahlte er diese seinen Subunternehmern aus. Das Finanzamt forderte diese Beträge im Anschluss an eine Außenprüfung nach und setzte ca. 25.000 € Nachzahlungszinsen fest. Der Kläger akzeptierte die Umsatzsteuernachforderung, beantragte aber den Erlass der Nachzahlungszinsen aus sachlichen und persönlichen Gründen. Zur Begründung verwies er darauf, dass die Festsetzung von Zinsen dazu diene, Liquiditätsnachteile des Fiskus auszugleichen. Solche hätten sich jedoch nicht ergeben, da die Subunternehmer die abgerechnete Umsatzsteuer auch abgeführt hätten. Zudem sei die Festsetzung persönlich unbillig, da die Existenz seiner Familie bedroht sei. Das Finanzamt lehnte dies ab.

Entscheidung

Das Finanzgericht Baden-Württemberg lehnt die Klage ab. Sachlich ist die Festsetzung nicht unbillig, da der Kläger die Nachzahlung hätte vermeiden können, wenn er das Reverse-Charge-Verfahren beachtet hätte. Zudem ist unerheblich, ob dem Fiskus in der Summe ein Steuerausfall entstanden ist, da hinsichtlich der Frage, ob ein Zinsvorteil entstanden ist, allein das zwischen dem Kläger und dem Finanzamt bestehende
Steuerschuldverhältnis zu beachten ist. Persönliche Billigkeitsgründe lehnte das Finanzgericht ebenfalls mangels entsprechender Nachweise durch den Kläger ab.

Konsequenz

Derzeit dürfte das Urteil zutreffend sein, wenn es auch sicherlich nicht als „gerecht“ empfunden wird. Allerdings besteht hier noch Hoffnung, da das Finanzgericht die Revision beim Bundesfinanzhof zugelassen hat, sodass zu prüfen ist, ob solche Fälle offenzuhalten sind. In der Praxis kann nur jedem Unternehmer geraten werden, das Reverse-Charge-Verfahren zu beachten, zumal der Schaden noch gravierender wird,
wenn die Umsatzsteuer von den leistenden Unternehmern nicht zurückgezahlt wird. In der Praxis wird jedoch unverändert dem Reverse-Charge-Verfahren nicht die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl es – insbesondere bei Leistungsbezug aus dem Ausland – jeden Unternehmer treffen kann, selbst solche, die glauben, nichts mit der Umsatzsteuer zu tun zu haben, wie z.B. Ärzte und Kleinunternehmer.
Dies sollte sich ändern.

Gert Klöttschen

Steuerberater

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