Multinationale Firmen und das Vermeiden von Steuern

 

Früher war alles ganz einfach: Hatte ein Unternehmen eine Produktionsstätte in einem Land, bezahlte es dort auch Steuern. In der digitalen Welt geht die Gleichung „besteuern, wo Werte geschaffen werden“ nicht mehr so einfach auf. Denn wo schafft ein Unternehmen wie Google seine Werte? Dort, wo der Algorithmus entwickelt wird? Dort, wo er verwaltet wird oder wo der Server steht? Oder etwa am Standort des Nutzers, der die für den Algorithmus so wichtigen Daten generiert? „Das aktuelle Steuersystem ist auf klassische Industrieproduktion ausgelegt, nicht auf die digitalen Tech-Unternehmen des 21. Jahrhunderts“, meinte Dr. Johannes Becker, Direktor am Institut für Finanzwissenschaft an der Uni Münster, beim Vortragsabend der Wirtschaftsprüfungs-, Rechts- und Steuerberatungsgesellschaft dhpg im Bahnhof Rolandseck.

„Neu denken! Steuern und Recht in der digitalen Welt.“, lautete die Veranstaltung, zu der etwa 30 Zuhörer erschienen waren. Becker sprach als Hauptredner zum Thema „Sondersteuer auf Digitales. Ein Thema für den Mittelstand?“ Klar ist für ihn: „Viele multinationale Unternehmen vermeiden Steuern.“ Das Grundproblem daran ist, dass die Produktion auf viele Standorte verteilt ist und es im geltenden System möglich ist, die Gewinne in Niedrigsteuerstandorte zu verschieben. Die bestehenden Regeln, die in den 1920er-Jahren im Völkerbund vereinbart wurden, lassen sich nicht adäquat auf die digitale Welt übertragen. Um steuerpflichtig in einem Land zu sein, muss eine Betriebsstätte vorhanden sein – für Produktion in der klassischen Industrie ein nachvollziehbares Kriterium. Doch ist das Vorhalten einer Online-Plattform schon ein Unternehmensstandort, der Quellenbesteuerung rechtfertigt? Ähnlich schwierig ist die Gewinnzuteilung auf die einzelnen Standorte, da in der Digitalwirtschaft der Fokus auf immateriellen Wirtschaftsgütern liegt. „Wir kennen die Höhe des Gewinns insgesamt“, sagt Becker. Welcher Teil davon auf welche Standorte entfällt, ist zweifelsfrei kaum zu klären und bedarf daher internationaler Konventionen.

Die Politik ist sich dieses Problems bewusst und hat in den vergangenen sechs Jahren laut Becker „vieles auf den Weg gebracht“. Die zwischenzeitlich intensiv diskutierte Digital Services Tax („Google-Steuer“), die von der EU-Kommission vorgeschlagen wurde, „ist aber vermutlich vom Tisch“, so Becker. Die G20-Staaten und die OECD haben zwei Reformsäulen erarbeitet, die vorsehen, mehr Bemessungsgrundlagen in die Marktstaaten zu verlegen und eine effektive Mindeststeuer einzuführen, die nicht mehr unter einem bestimmten Prozentsatz liegt. „Eine Mischung aus diesen beiden Säulen wird kommen“, vermutet Becker.

Vier Kurzvorträge der dhpg

Es folgten noch vier weitere Kurzvorträge von Partnern und Beratern der dhpg. Dirk Roßmann sprach zum Thema „Steuerliche Forschungs- und Entwicklungsförderung steht in den Startlöchern“. Mit bis zu 500.000 Euro pro Jahr fördert der Staat ab 2020 bestimmte Forschungsprojekte. Von der Neuregelung könnte eine Vielzahl von Unternehmen unterschiedlichster Branchen profitieren, bei Kooperationen und Auftragsforschung ergeben sich allerdings Besonderheiten. Roßmanns Tipp an die anwesenden Unternehmer: „Prüfen Sie, ob eine Antragstellung für Sie sinnvoll ist.“

Gert Klöttschen widmete sich dem Thema „So funktioniert es umsatzsteuerlich mit dem Onlinehandel“. Für den Steuerberater ist klar: „Die Umsatzsteuerregeln für den Onlinehandel sind komplex.“ So setzt die korrekte Besteuerung die Unterscheidung der Kunden in Unternehmen und Privatpersonen, die Beachtung von Lieferschwellen, zahlreiche Nachweis- und Meldepflichten sowie unterschiedliche Steuersätze in der EU voraus. Bei Nichtbeachtung wird die Umsatzsteuer zum Margenkiller. Ebenso wichtig sind die Wahl des geeigneten Vertriebsweges sowie die rechtzeitige Einstellung auf die kommenden, den Onlinehandel betreffenden Umsatzsteuerreformen.  Mit dem richtigen Steuerberater an der Seite sollte dieses Dickicht aber durchdrungen werden können.

Daniela Nellen-La Roches Thema lautete „New Work und das Arbeiten im Homeoffice“. In vielen Berufen ist heute die Arbeit von zu Hause aus theoretisch problemlos möglich. 40 Prozent der Arbeitnehmer könnten Homeoffice betreiben, doch nur zwölf Prozent der Arbeitnehmer nutzen es wirklich. In Deutschland gilt vielerorts aber das Credo: feste Arbeitszeit an festem Arbeitsplatz, obwohl sogar erwiesen ist, dass Menschen, die Homeoffice betreiben nicht nur flexiblere Arbeitszeiten haben, sondern im Regelfall sogar drei Stunden pro Woche mehr arbeiten, als ihre Kollegen im Büro. Für Daniela Nellen-La Roche ist aber klar: Homeoffice braucht schriftlich festgehaltene Regeln, Unternehmen sollten die Option nutzen und flexibles Arbeiten rechtssicher gestalten.

„Cookies, Tracking & Co. – auf der sicheren Seite im Webmonitoring“ – wie das geht erklärte Dr. Christian Lenz. Unternehmen wollen natürlich wissen, wie ihre Kunden agieren. Doch Monitoring-Tools sind oft nicht rechtssicher. Dabei sei Webmonitoring an sich kein Problem, dabei wird nur das Nutzerverhalten auf der eigenen Seite gemessen. Beim analytischen Tracking hingegen handelt es sich um eine Analyse des Nutzers über die reine Statistik hinaus. Fakt ist: Wer Tracking verwendet, muss die Einwilligung des Kunden einholen. Unternehmern mit Homepage empfiehlt er: „Fragen Sie sich: ,Welche Tools brauche ich?' und ,Welche Tools benötige ich wirklich?'"

Nach dem von Benno Lange moderierten Abend kamen die Teilnehmer des Abends noch zu Gesprächen auf dem Balkon des Bahnhofs Rolandseck zusammen und vertieften das Gehörte.

 

Fotos: Thomas Schmitz/Max Hampel/pp/Agentur ProfiPress

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