Arbeitsfehler rechtfertigen nicht immer eine Kündigung

Kernaussage

Arbeitsfehler, durch die ein Arbeitnehmer gegen seine arbeitsvertraglichen Leistungspflichten verstößt, rechtfertigen nicht in jedem Fall eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Entscheidend ist immer die Interessenabwägung im Einzelfall. Dies hat das Landesarbeitsgericht Köln mit aktuellem Urteil entschieden. 

Sachverhalt

Der Kläger war seit 16 Jahren als Lagerarbeiter bei einer Spedition beschäftigt. Entsprechend der im Unternehmen geltenden Arbeitsanweisung war der Kläger verpflichtet, sämtliche Ware erst bei Verladung in den jeweiligen Lkw - und nicht bereits vor dem Beladevorgang - zu scannen. Im Frühjahr 2015 wurde der Kläger wegen falscher Beladung des Lkw abgemahnt. Es folgten eine weitere Abmahnung - ebenfalls wegen falscher Beladung - sowie drei weitere Abmahnungen wegen verspäteter Benachrichtigung über eine Arbeitsunfähigkeit bzw. verspätete Benachrichtigung über eine Urlaubsüberschreitung. Im Januar 2016 wurde erneut ein Lkw falsch durch den Kläger beladen. Insgesamt fehlten fünf Rollcontainer und eine Transportkühlbox. Auf Rüge des Lkw-Fahrers musste der Lkw am Folgetag teilweise wieder ausgeladen und neu beladen werden. Der beklagte Arbeitgeber kündigte darauf hin das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist. Der Kläger legte daraufhin gegen die Kündigung erfolgreich Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht ein.

Entscheidung

Auch das Landesarbeitsgericht Köln erklärte die Kündigung für unwirksam. Voraussetzung für eine wirksame verhaltensbedingte Kündigung ist unter anderem, dass der Arbeitnehmer eine arbeitsvertraglich geschuldete Pflicht - in der Regel mit Verschulden - in solch erheblichem Maße verletzt, dass das Arbeitsverhältnis dadurch konkret beeinträchtigt wird und die Beendigung nach beidseitiger Interessenabwägung billigenswert und angemessen erscheint. Qualitative Minderleistungen können grundsätzlich eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Allerdings ist der Arbeitnehmer nur verpflichtet, sein subjektives Leistungsvermögen auszuschöpfen und ein ordentliches, marktüblich mindestens durchschnittliches und möglichst mangelfreies Arbeitsergebnis abzuliefern. Im vorliegenden Fall war schon unklar, ob die Fehlerquote des Klägers deutlich über der der anderen Arbeitnehmer lag. Ferner wurde zugunsten des Klägers die lange - meist fehlerfreie - Beschäftigungsdauer berücksichtigt.

Konsequenz

Das Urteil zeigt deutlich auf, dass zum einen nicht jeder Arbeitsfehler eine Kündigung rechtfertigt. Zum anderen ist die jeweils geschuldete Leistungspflicht von Arbeitnehmern stets an der persönliches Leistungsfähigkeit des einzelnen Arbeitnehmers zu bewerten. Mit anderen Worten, jeder Arbeitnehmer muss tun, was er soll und dies so gut er persönlich kann. Arbeitnehmer können umgekehrt ihre jeweilige Leistung aber auch nicht einseitig festlegen, sondern müssen ihre individuelle Leistungsfähigkeit ausschöpfen. Liegt ein Arbeitnehmer damit deutlich unter dem Leistungslevel vergleichbarer Arbeitnehmer, kann dies ein Indiz zulasten des Arbeitnehmers sein und im Einzelfall auch eine Kündigung rechtfertigen.

Alexandra Hecht

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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