Chancen und Risiken der Kurzarbeit

 

Interview: Daniela Nellen-La Roche

Was bedeutet Kurzarbeit?

Um auf eine vorübergehende Konjunkturflaute zu reagieren, kann ein Unternehmen Kurzarbeit anmelden. Das arbeitsmarktpolitische Instrument verhindert, dass Unternehmen bei einem temporären Auftragseinbruch ihr Personal entlassen müssen und Arbeitslosigkeit entsteht. Kurzarbeit bedeutet konkret, dass die Mitarbeiter vorübergehend weniger arbeiten und der Arbeitgeber im Gegenzug auch nur einen Teil des Arbeitsentgelts auszahlt. Die Gehaltseinbußen gleicht die Bundesagentur für Arbeit mit dem Kurzarbeitergeld (KUG) teilweise aus. Für ein Unternehmen kann Kurzarbeit ein sehr sinnvolles Instrument sein, wenn Mitarbeiter aufgrund der wirtschaftlichen Situation unterbeschäftigt sind, aber nicht entlassen werden sollen. Kurzarbeit kann bei Arbeitsausfällen durch entsprechende Vereinbarung zur Reduzierung der Arbeitszeit im Betrieb sehr kurzfristig eingesetzt werden.

Was gilt es aus Arbeitgebersicht zu beachten?

Unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für Kurzarbeit vorliegen, ist der Arbeitgeber allerdings nicht zur einseitigen Einführung von Kurzarbeit berechtigt, denn es handelt sich um eine Änderung der Arbeitsvertragsbedingungen. Vielmehr bedarf es hierzu einer besonderen rechtlichen Grundlage. Einerseits können einzelvertragliche Vereinbarungen den Arbeitgeber zur Einführung von Kurzarbeit berechtigen. Solche Regelungen können entweder aus konkretem Anlass oder bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrages geschlossen werden. Wenn Kurzarbeit bereits im Arbeitsvertrag vorgesehen ist, muss der Arbeitgeber keine weitere Zustimmung einholen. Im Regelfall existieren tarifliche Regelungen, die die Voraussetzungen für die Einführung von Kurzarbeit definieren. Ist eine tarifliche Regelung nicht vorhanden und hat das Unternehmen einen Betriebsrat, kann Rechtsgrundlage für die Einführung von Kurzarbeit auch eine Betriebsvereinbarung sein, die dann unmittelbar und zwingend für alle Arbeitnehmer gilt. Bei der Einführung von Kurzarbeit hat der Betriebsrat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht. Ein Betriebsrat kann sogar von sich aus die Einführung von Kurzarbeit anregen.

Welche rechtlichen Voraussetzungen bestehen?

Bevor die Fördergelder fließen, sind Voraussetzungen zu erfüllen. In dem Monat, für den das KUG beantragt wird, muss mindestens ein Drittel der Belegschaft betroffen sein mit einem Bruttolohnausfall von mindestens 10 % – Aus¬zubildende sind ausgeschlossen. Der Arbeitsausfall muss unvermeidbar sein und kann nicht durch Umstrukturierungen im Unternehmen aufgefangen werden. Der Gesetzgeber sieht eine Laufzeit im Normalfall von einem Jahr vor. Diese kann aber auf bis zu 24 Monate durch das Arbeitsmi¬nisterium verlängert werden. Während der Finanzkrise vor rund zehn Jahren wurde die Auszahlung des KUG bereits auf 18 Monate ausgedehnt. Das KUG kann flexibel eingesetzt werden. Firmen können für den gesamten Betrieb oder auch nur für einzelne Betriebsteile (z.B. Produktion) die Arbeitszeit herunterfahren, auch mit unterschiedlichen Laufzeiten.

Wie wird Kurzarbeitergeld beantragt?

Erachtet es ein Unternehmen für notwendig, Kurzarbeit einzuführen, muss es im ersten Schritt eine Anzeige der Kurzarbeit bei der Bundesagentur für Arbeit erstatten. Zur Berechnung und Auszahlung des Kurzarbeitergeld sind sämtliche Unterlagen, die zur Entscheidung über den Antrag des Kurzarbeitergeld nötig sind, zusammen mit dem Antrag durch den Arbeitgeber an die Bundesagentur für Arbeit zu schicken. Der Antrag muss innerhalb von drei Mo¬naten bei der Agentur für Arbeit eingereicht werden, in deren Bezirk die zuständige Lohnabrechnungsstelle liegt. Es sind die entsprechenden Vordrucke der Bundesagentur zu verwenden. Eine telefonische oder persönlich überbrachte mündliche Anzeige erfüllt die gesetzlich vorgeschriebene Form nicht.

Wie berechnet sich das Gehalt bei Kurzarbeit?

Kurzarbeit führt dazu, dass der Mitarbeiter von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung teilweise befreit wird, gleichzeitig verliert er aber auch seinen Vergütungsanspruch. Das Kurzarbeitergeld ist kein fester Betrag. Die Bundesagentur für Arbeit ersetzt einen Teil des Lohnausfalls bzw. erstattet das Geld den Arbeitgebern. Das sind bis zu 60 % des Nettogehalts, bei Arbeitnehmern mit Kindern werden bis zu 67 % gezahlt. Der Arbeitgeber muss sich weiterhin an den Kosten der Sozialversicherung beteiligen. Das neue verfügbare Nettogehalt bei Kurzarbeit setzt sich also aus zwei Komponenten zusammen. Es besteht zum einen aus einem Teil des regulären Gehalts und zum anderen aus dem KUG. Beim Kurzarbeitergeld handelt es sich um eine sogenannte Entgeltersatzleistung. Für die Bundesagentur für Arbeit ist die Zahlung der Entgeltersatzleistung dabei günstiger, als bei Entlassungen das komplette Arbeitslo¬sengeld der Betroffenen finanzieren zu müssen.

Kann der Arbeitnehmer sich dagegen wehren?

Der Arbeitnehmer muss nicht hinnehmen, dass sein Arbeitsentgelt reduziert wird. Arbeitnehmer müssen aber ausdrücklich widersprechen, um später Anspruch auf vollen Lohn geltend machen zu können.

Gibt es besondere Regelungen für Führungskräfte?

Soweit es sich tatsächlich um leitende Angestellte handelt und diese auch von der Einführung der Kurzarbeit erfasst werden sollen, kann dies durch Einführung einer verbindlichen Richtlinie zwischen Arbeitgeber und Sprecherausschuss erfolgen oder durch Abschluss eines dreiseitigen Vertrages zwischen Arbeitgeber, Sprecherausschuss und Betriebsrat. Sonst bleibt nur die Möglichkeit einer individualarbeitsvertraglichen Regelung.

Welche Nachteile, welche Vorteile gibt es?

Die Einführung von Kurzarbeit zur Bewältigung konjunktureller Krisen birgt Chancen und Risiken. Die Annahme, dass die konjunkturelle Krise nur vorübergehend anhält, erschwert es dem Arbeitgeber, Kündigungen während oder nach der Kurzarbeit durchzusetzen. Betriebsbedingte Kündigungen sind zwar per se nicht ausgeschlossen. Allerdings darf eine betriebsbedingte Kündigung nicht ausschließlich auf Gründe zurückzuführen sein, die zur Anordnung der Kurzarbeit geführt haben. Wesentlicher Vorteil: Kurzarbeit dient als arbeitsmarktpolitisches Instrument dem Erhalt der Arbeitsplätze. Statt das Arbeitsverhältnis zu beenden, wird die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers nur zeitweise suspendiert. Die Arbeitsplätze werden erhalten und qualifizierte Arbeitskräfte an das Unternehmen gebunden. Es entfällt die Pflicht des Arbeitgebers, Entgelt zu bezahlen, das heißt, Personalkosten werden gesenkt und der Arbeitgeber finanziell entlastet. Auch wenn der Arbeitnehmer am Ende des Monats weniger Geld bekommt, kann der Arbeitsplatz gesichert werden. Der Arbeitnehmer hat mehr Freizeit und die Kurzarbeit kann zur beruflichen Weiterbildung genutzt werden. Für beide Seiten kann dies eine Win-win-Situation sein.


Vielen Dank.

Alexandra Hecht

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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Alexander Kirsch

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht

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