5-Punkte-Checkliste Beschäftigung von Flüchtlingen: Was Arbeitgeber beachten sollten
Bonn, 31. März 2016 – Mehr als eine Million Flüchtlinge erreichten nach Angaben des Bundesinnenministeriums im Jahr 2015 die Bundesrepublik Deutschland. Nach ihrer Flucht werden voraussichtlich viele dieser Menschen dauerhaft in Deutschland bleiben. Die rasche Integration in den Arbeitsmarkt spielt eine zentrale Rolle bei der gesellschaftlichen Integration und bei der Rückkehr in ein normales Leben. Es gibt jedoch gerade für Arbeitgeber einige rechtliche Aspekte, die beachtet werden müssen.
Arbeitsrechtsexpertin Dr. Anja Branz, Rechtsanwältin bei der dhpg in Bonn, stellt eine 5-Punkte-Checkliste vor, die Arbeitgebern bei der Anstellung von Flüchtlingen als Orientierung dienen kann.
1. Aufenthaltsstatus klären
Dr. Anja Branz: "Die Beschäftigung von Flüchtlingen hängt zunächst von ihrem Aufenthaltsstatus ab. Arbeitgeber müssen drei Stufen unterscheiden, die an bestimmte Voraussetzungen geknüpft sind."
a) Asylberechtigte, über deren Antrag positiv beschieden wurde, erhalten eine in der Regel zunächst zwischen 1 und 3 Jahren befristete und zweckgebundene Aufenthaltserlaubnis.
b) Asylbewerber befinden sich noch im Verfahren. Während dieses vorübergehenden Status erhalten sie eine Aufenthaltsgestattung.
c) Bei geduldeten Personen hingegen wurde der Asylantrag abgelehnt. Hier erfolgt zunächst, zumeist aus humanitären Gründen, nicht direkt die Abschiebung.
2. Voraussetzungen für Beschäftigung im jeweiligen Aufenthaltsstatus beachten
"Grundsätzlich ist eine Beschäftigung von Flüchtlingen in jedem Aufenthaltsstatus unter bestimmten Voraussetzungen möglich", erläutert Dr. Anja Branz. "Wer als Asylberechtigter eine Aufenthaltserlaubnis für Deutschland besitzt, darf währenddessen voll arbeiten und jede Beschäftigung ausüben. Arbeitsrechtlich müssen Arbeitgeber keine Besonderheiten beachten. Es kann ein unbefristeter oder befristeter Arbeitsvertrag geschlossen werden. Der Asylberechtigte darf auch eine Beschäftigung als Zeitarbeitnehmer aufnehmen."
Bei Asylbewerbern und geduldeten Personen sind für Arbeitgeber mehrere Voraussetzungen zu beachten. Dr. Anja Branz: "Während der ersten 3 Monate gilt für diese Gruppen ein absolutes Beschäftigungsverbot. Danach ist eine Beschäftigung grundsätzlich möglich." Hierzu muss durch den Flüchtling eine Beschäftigungserlaubnis bei der Ausländerbehörde beantragt werden. Diese bedarf in der Regel der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit. Die Zustimmung wird nur erfolgen, sofern im Rahmen einer Vorrangprüfung keine bevorrechtigten Arbeitnehmer gefunden wurden, etwa deutsche oder EU-Staatsbürger. Ausnahmen von der Vorrangprüfung gibt es nur für Hochschulabsolventen und Fachkräfte, die eine anerkannte Ausbildung in einem Engpassberuf haben (Positivliste). Darüber hinaus darf der Kandidat nicht zu schlechteren Bedingungen arbeiten als ein vergleichbarer deutscher Arbeitnehmer (sog. Beschäftigungsbedingungsprüfung).
3. Nachweise bereit halten
"Wenn die Voraussetzungen für eine Beschäftigung erfüllt sind, müssen der Flüchtling und der Arbeitgeber bestimmte Dokumente vorweisen und bestimmte formelle Anforderungen erfüllen", führt Dr. Anja Branz weiter aus.
Vorliegen müssen insbesondere:
- Dokumente über den Aufenthaltsstatus des Flüchtlings.
- Der Arbeitgeber ist nach dem Aufenthaltsgesetz verpflichtet, für die Dauer der Beschäftigung eine Kopie des Aufenthaltsdokuments in elektronischer oder Papierform aufzubewahren.
"Zudem sollten Arbeitgeber beachten, dass Flüchtlinge spätestens mit der Aufnahme einer Beschäftigung sozialversicherungspflichtig werden", erläutert Dr. Anja Branz. "Hingegen sind Asylbewerber oder geduldete Personen als Minijobber nicht krankenversicherungspflichtig, so dass der Arbeitgeber keinen Pauschalbeitrag zur Krankenversicherung abführen muss."
4. Arbeitsvertrag/Mindestlohn: Mindestlohn auch für Flüchtlinge
Dr. Anja Branz: "Grundsätzlich gilt das Mindestlohngesetz vollumfänglich auch für Flüchtlinge. Insbesondere sind bei Praktika von Flüchtlingen nur Pflichtpraktika, Praktika zur Berufsorientierung oder ausbildungsbegleitende Praktika von bis zu drei Monaten vom Mindestlohn ausgenommen. Es gibt jedoch Befreiungen vom Mindestlohngesetz während bestimmter Fördermaßnahmen, beispielsweise Einstiegsqualifizierungen."
"Zudem sollten grundsätzlich bei Arbeitsverträgen schriftlich hinlängliche Informationspflichten bezüglich jeder Veränderung des Aufenthaltsstatus aufgenommen werden. Auch kann gegebenenfalls bei befristeter Aufenthalts-/Beschäftigungserlaubnis eine Zeit- oder Sachgrundbefristung sinnvoll sein."
5. Kündigungsschutzgesetz maßgeblich
"Auch in Betrieben, die Flüchtlinge beschäftigen, gilt ab zehn Arbeitnehmern das Kündigungsschutzgesetz für jeden Arbeitnehmer, der schon länger als sechs Monate im Betrieb beschäftigt ist", berichtet Dr. Anja Branz.
"Allerdings kann sich ein personenbedingter Kündigungsgrund durch das nicht rechtzeitige Vorlegen des Aufenthaltstitels ergeben. Dazu kommt der Arbeitgeber hier nicht in Annahmeverzug – wenn etwa der Arbeitnehmer im Betrieb ist und arbeiten könnte, der Arbeitgeber dies jedoch nicht zulässt – da der Arbeitnehmer nicht beschäftigt werden darf. Auch eine spätere Abschiebung kann einen personenbedingten Kündigungsgrund nach dem Kündigungsschutzgesetz begründen. Nach Paragraph 275 des Bürgerlichen Gesetzbuches ist dem Ausländer die Leistungserbringung nicht möglich."
Neben den oben genannten Themenfeldern existieren einige Sonderregelungen, etwa für so genannte Engpassberufe, Fördermöglichkeiten der Bundesagentur für Arbeit oder Zeitarbeit. Bei Rückfragen vermitteln wir gerne einen Kontakt zu Frau Dr. Branz.
Über dhpg:
Die dhpg ist eines der führenden, mittelständischen Beratungsunternehmen in Deutschland, das sich auf die Kernbereiche Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Rechtsberatung sowie Insolvenzverwaltung und Sanierungsberatung spezialisiert hat. Das inhabergeführte Unternehmen gehört mit 500 Mitarbeitern an zehn Standorten zu den 15 größten seiner Branche. Die dhpg ist Teil des Nexia-Netzwerks, das mit über 24.000 Mitarbeitern in 100 Ländern und einem Umsatzvolumen von 3,1 Milliarden US-Dollar zu den Top 10 der internationalen Beratungs-Netzwerke zählt.
Über Dr. Anja Branz:
Dr. Anja Branz ist Rechtsanwältin und verantwortet bei der dhpg den Fachbereich Arbeitsrecht. Sie gilt als ausgewiesene Expertin sowohl im kollektiven Arbeitsrecht als auch Individualarbeitsrecht, hier insbesondere für die Themenfelder Arbeitnehmerüberlassung, Scheinselbständigkeit und Umstrukturierungen von Unternehmen. Des Weiteren für alle damit in Zusammenhang stehenden sozialversicherungsrechtlichen- und strafrechtlichen Bezüge. Sie besitzt umfassende Kenntnisse in der arbeits-, betriebsverfassungs- und tarifrechtlichen Beratung von Unternehmen und Verbänden.