Wann ist ein Ehegattentestament „wechselbezüglich“?
Wer sein Leben miteinander teilt, sollte sich auch über ein gemeinsames Testament Gedanken machen. Für Eheleute ist es sinnvoll, sich für den Todesfall in einem gemeinsamen Ehegattentestament gegenseitig abzusichern. Denn ohne einen letzten Willen gilt automatisch die gesetzliche Erbfolge. Nach geltendem Erbrecht kann der Ehegatte nur dann als Alleinerbe eingesetzt werden, wenn keine anderen gesetzlich festgelegten Erben wie Kinder oder Verwandte in Frage kommen. Doch wann kann ein gemeinschaftliches Testament als wechselbezüglich gelten?
Fallbeispiel: Das Stuttgarter Oberlandesgericht hatte sich mit der Frage zu befassen, wann die Wechselbezüglichkeit einer letztwilligen Verfügung angenommen werden kann, wenn diese nicht ausdrücklich angeordnet worden ist.
Kernaussage – Ehegattentestamente sind für beide Ehegatten bindend
Ein gemeinschaftliches Testament von Ehegatten entfaltet nach dem Gesetz (§ 2271 BGB) sogenannte Bindungswirkung. Das bedeutet, die im Ehegattentestament getroffenen „wechselbezüglichen“ Verfügungen können zu Lebzeiten beider Partner nicht einseitig geändert werden, ohne dass der andere Partner davon erfährt. Verstirbt einer der beiden Testamentspartner, so erlischt für den überlebenden Ehepartner sogar kraft Gesetz das Recht zum Widerruf der wechselbezüglichen Verfügungen im Testament. Nach dem eigenen Ableben besteht also für den zuerst Versterbenden Sicherheit, dass der überlebende Ehepartner nicht zentrale Verfügungen des gemeinsamen Testaments abändert. In einem aktuell veröffentlichten Urteil befasste sich das Oberlandesgericht Stuttgart mit der Fragestellung, ob trotz fehlender ausdrücklicher Anordnung die Wechselbezüglichkeit einer letztwilligen Verfügung angenommen werden kann.
Sachverhalt – Verwitwete Ehefrau versucht, neuen Schlusserben einzusetzen
Zwei Eheleute hatten ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zu Erben einsetzten und dann als Schlusserben nach dem Letztversterbenden jeweils Verwandte des einen und des anderen bestimmten. Nach dem Tod des Ehepartners errichtete die verwitwete Ehefrau ein neues Testament, in dem sie ihre Nichte als Erbin bestimmte. Sie legte dar, dass in dem gemeinschaftlichen Testament nicht bestimmt sei, dass der Überlebende an die Schlusserbeneinsetzung gebunden sein sollte und sie daher frei sei, anderweitig zu verfügen; die Testamentsregelungen seien also nicht wechselbezüglich gewesen. Die nunmehr begünstigte Nichte beantragte, den Erbschein, der zugunsten der Erben aus dem Ehegattentestament erteilt worden war, einzuziehen. Die Richter wiesen den Antrag zurück.
Entscheidung – Bei fehlenden Regelungen zur Bindungswirkung kann Wechselbezüglichkeit des Ehegattentestaments angenommen werden
Aus der Tatsache, dass im Ehegattentestament eine ausdrückliche Bestimmung der Wechselbezüglichkeit fehlte, könne jedenfalls nicht geschlossen werden, dass eine solche von den Eheleuten nicht gewollt war, so die Richter. Bei einer fehlenden Regelung zur Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments sei zunächst der Wille der Testierenden durch Auslegung zu ermitteln, erst dann könne auf die gesetzliche Auslegungsregel zurückgegriffen werden. Da sich hier ein wechselbezüglicher Bindungswille der Testierenden weder bejahen noch verneinen ließ, kamen die Richter zu folgendem Schluss: Wegen des Verwandtschaftsverhältnisses zum Ehemann einiger der bedachten Schlusserben in dem Ehegattentestament müsse von einer Wechselbezüglichkeit und der damit verbundenen Bindung der Ehefrau ausgegangen werden. Der Erbschein zugunsten der Schlusserben aus dem Ehegattentestament wurde also zu Recht erteilt.
Konsequenz – Wechselbezüglichkeit im gemeinschaftlichen Testament ausdrücklich festlegen
Das Vorliegen oder Fehlen eines Bindungswillens in gemeinschaftlichen Testamenten ist praktisch oft schwierig zu ermitteln. Ergibt die Auslegung des Testaments und der Umstände keinen eindeutigen Befund, ist die gesetzliche Auslegungsregel heranzuziehen. Hierbei gilt, dass eine wechselbezügliche Bindungswirkung bei gegenseitigen Erbeinsetzungen und insbesondere Schlusserbeneinsetzungen von Verwandten sowohl des einen als auch des anderen Testierenden im Zweifel zu bejahen ist. In der Praxis ist es dringend anzuraten, die Wechselbezüglichkeit oder eben das Fehlen einer Bindungswirkung im Ehegattentestament ausdrücklich und positiv zu bestimmen, um gleich von vorneherein für Klarheit zu sorgen.