Viel Bewegung in der Besteuerung internationaler Unternehmen

 

Grenzüberschreitend in verschiedenen Ländern unternehmerisch aktiv zu sein, bedeutet auch, sich in all diesen Ländern mit den jeweiligen gesetzlichen Vorschriften vertraut zu machen, diese zu beachten und die finanziellen Auswirkungen in die eigenen Planungen einzubeziehen. In kaum einem Rechtsgebiet unterscheiden sich die Vorschriften von Land zu Land so sehr wie im Steuerrecht. Covid-19-Pandemie und eine hochdynamische Rechtsentwicklung leisten einen weiteren Beitrag zur Komplexität. Gründe genug, gemeinsam mit unseren Experten einen genaueren Blick auf die Entwicklungen des Jahres 2021 zu werfen und einen Ausblick zu wagen.

Interview: Benno Lange und Nadine Sinderhauf

Ein turbulentes Jahr neigt sich seinem Ende zu. Was hat Unternehmen, speziell wenn sie stark international ausgerichtet sind, 2021 am stärksten beschäftigt?

Lange: Natürlich standen große Teile des Jahres noch stark unter dem Einfluss der Corona-Pandemie. Die Unternehmen mussten sehr genau beobachten, wie sich die pandemische Lage an ihren jeweiligen Standorten entwickelt und welche Auswirkungen dies auf die regionalen Märkte hat. Während der Fokus zunächst auf den Absatzmärkten lag, hat sich das Bild in den letzten Monaten stark verändert. Durch knappe Rohstoffe und Vormaterialien sind die Beschaffungsmärkte in den Vordergrund gerückt; etliche Unternehmen investieren derzeit viel Geld und hohe Anstrengungen in die Sicherstellung ihrer Materialversorgung.

Sinderhauf: Steuerlich sind und waren die grenzüberschreitenden Verrechnungspreise einmal mehr das beherrschende Thema. Auch hier hat Corona eine Rolle gespielt. Die OECD hat zum Jahreswechsel 2020/2021 Leitlinien zu den Folgen der Corona-Pandemie für die Festlegung von Verrechnungspreisen veröffentlicht. Dieses Papier gibt Hinweise, wie Unternehmen den besonderen wirtschaftlichen Umständen in den Jahren 2020 und 2021 Rechnung tragen können. Die Brisanz der Verrechnungspreise ist allerdings losgelöst von der Pandemie zu sehen. In Betriebsprüfungen international verflochtener Unternehmen bilden sie regelmäßig das Prüffeld, das das größte Mehrergebnis-Potenzial für die Prüfer:innen und damit das höchste steuerliche Risiko aus Unternehmenssicht birgt. Zudem waren der Gesetzgeber mit einer weitreichenden Änderung von § 1 des Außensteuergesetzes und die nationale Finanzverwaltung mit zwei grundlegenden BMF-Schreiben (Verwaltungsgrundsätze 2020, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise) sehr aktiv. Zuletzt hat auch die Rechtsprechung für Aufmerksamkeit gesorgt, indem das Finanzgericht Bremen den Europäischen Gerichtshof zu der Frage angerufen hat, ob die deutschen Sanktionsvorschriften bei unzureichender Verrechnungspreis-Dokumentation mit den europäischen Grundfreiheiten vereinbar sind. Insgesamt ist hier also sehr vieles im Fluss.

Gibt es steuerliche Fallstricke, die deutsche Unternehmen beachten müssen, wenn sie mit Tochtergesellschaften im Ausland tätig sind?

Lange: Ja, solche Fallstricke gibt es zur Genüge und sie sind von Land zu Land sehr unterschiedlich. Hier bedarf es einer genauen Analyse der lokalen steuerlichen Rahmenbedingungen im Vorfeld einer Investitionsentscheidung. Gemeinsam mit unseren Nexia-Partnern haben wir hier in vielen Fällen unterstützen können.

Sinderhauf: Aus deutscher Outbound-Sicht ist die Hinzurechnungsbesteuerung ein echter „Klassiker“, der leider nichts von seiner Aktualität verloren hat. Besonders fragwürdig ist, dass der Gesetzgeber auch nach der Reform bei einer Steuerlast im Ausland von weniger als 25 % von einer Niedrigbesteuerung ausgeht, obwohl inzwischen auch viele Länder, die ganz sicher nicht als Steueroasen gelten können, unterhalb dieser Schwelle liegen.

Lange: In der Praxis ist in den Hinzurechnungsfällen immer die Gewerbesteuer das Problem. Während bei der Körperschaft- bzw. Einkommensteuer die ausländischen Steuern in Deutschland angerechnet werden können, fehlt bei der Gewerbesteuer – zumindest aus Sicht der Finanzverwaltung – jegliche Anrechnungsmöglichkeit. Die Gewerbesteuer wird so zur echten Zusatzsteuer und verteuert bestimmte Auslandsinvestitionen erheblich.

Und welche Hürden hat das Steuerrecht speziell für ausländische Unternehmen aufgebaut, die in Deutschland investieren und hier Tochtergesellschaften gründen oder bereits unterhalten?

Sinderhauf: Eine große Herausforderung stellt die Entlastung von Quellensteuern auf bestimmte Vergütungen an Steuerausländer dar. Wenn man hier nur die einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen oder europäischen Richtlinien, z.B. Mutter-Tochter-Richtlinie, im Blick hat, ist die Sache vermeintlich einfach, da dort vielfach verminderte Quellensteuersätze vorgesehen sind und häufig sogar ein Satz von 0 %. Allerdings legt der deutsche Gesetzgeber sehr hohe Prüfungsmaßstäbe an, um die Quellensteuerentlastung tatsächlich zu gewähren. Die einschlägige Vorschrift (§ 50d Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes) wurde 2021 noch einmal verschärft.

Lange: Für bestimmte Dividenden oder Lizenzzahlungen die eigentlich vorgesehene Erstattung von Quellensteuern zu erlangen, ist in vielen Fällen praktisch unmöglich oder nur mit einem unverhältnismäßig hohen administrativen Aufwand zu schaffen. Somit werden Steuern auch hier vielfach zum Kostenfaktor.

Nicht nur die Unternehmen sind heute stark globalisiert, auch Unternehmer und ihre Familien sind längst nicht mehr an Deutschland als ihren einzigen und dauerhaften Wohnsitz gebunden. Viele gehen – dauerhaft oder temporär – ins Ausland, sei es zum Zweck ihrer Ausbildung oder um eine Niederlassung ihres Familienunternehmens zu leiten. Hat das steuerliche Auswirkungen?

Lange: Ja, vor allem wenn der Wegziehende eine Beteiligung am Unternehmen hält. Weil Deutschland mit dem Wegzug regelmäßig das Besteuerungsrecht verliert, wird im Zeitpunkt des Wegzugs eine Veräußerung fingiert und besteuert, ohne dass dem Gesellschafter ein Erlös zufließt, aus dem er die Steuer bezahlen kann. Bislang war der Umzug zumindest innerhalb der EU bzw. des EWR weitgehend unproblematisch, weil die Steuern zwar festgesetzt, aber zinslos und ohne Sicherheiten gestundet werden konnten. Diese Möglichkeit entfällt ab dem kommenden Jahr, dann ist die Steuer – auch in EU/EWR-Fällen – in sieben Jahresraten zu zahlen. Um dieser Verschärfung zu entgehen, müsste der Umzug noch bis zum Jahresende erfolgen und abgeschlossen sein.

Sinderhauf: Im Übrigen betrifft die Wegzugsbesteuerung nicht nur Gesellschafter von Kapitalgesellschaften. Auch die Anteilseigner von Personengesellschaften sind betroffen, wenn die Gesellschaft ab dem kommenden Jahr für die Besteuerung als Körperschaft optiert.

Gibt es für 2022 bereits erkennbare Entwicklungen, auf die sich die Unternehmen einstellen müssen?

Sinderhauf: Ob die neue Bundesregierung eigene Gesetzesinitiativen im Internationalen Steuerrecht auf den Weg bringt, kann derzeit noch niemand vorhersagen. Allerdings hat sich die internationale Staatengemeinschaft kürzlich darauf verständigt, große multinationale Konzerne (und insbesondere Digitalkonzerne) effizienter und einheitlicher zu besteuern. Die Umsetzung dieses sogenannten Zwei-Säulen-Modells in nationales Recht – auch in Deutschland – wird voraussichtlich im kommenden Jahr erfolgen.

Lange: Verpflichtend sollen die neuen Regelungen nur für große Unternehmensgruppen mit einem Umsatz von mehr als 750 Mio. € gelten. Ob diese Schwelle dauerhaft erhalten bleibt, kann aktuell aber noch niemand seriös voraussagen. Größere Unternehmensgruppen, auch wenn sie noch unterhalb der Schwelle liegen, sollten sich daher frühzeitig mit den neuen steuerlichen Spielregeln beschäftigen. Mit diesen Unternehmen stehen wir in einem engen Austausch.

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Benno Lange

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

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Nadine Sinderhauf

Steuerberaterin

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