Pflichtteil kann mit Darlehensschuld verrechnet werden

Kernaussage

Kann eine Erbin gegenüber einem Pflichtteilsanspruch mit einer zum Nachlass gehörenden Darlehensforderung gegen den Pflichtteilsberechtigten aufrechnen, muss sie ihm keinen Pflichtteil zahlen. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm in einem kürzlich veröffentlichten Urteil entschieden.

Sachverhalt

Die Parteien, der heute 68 Jahre alte Kläger und die heute 59 Jahre alte Beklagte, sind Geschwister. Der Kläger verlangte nach dem Tod der gemeinsamen Mutter im September 2011 den Pflichtteil. Nach dem Tod ihres Ehemanns im Jahre 1994 war die ihren Mann allein beerbende Mutter Alleineigentümerin eines Hausgrundstücks in Kirchlengern. Auf diesem hatte der Kläger in den 70er-Jahren einen Anbau an das Wohnhaus seiner Eltern errichtet. Im Rahmen einer Umschuldung des Klägers Anfang der 90er-Jahre erwarb sein im Jahre 1970 geborener Sohn das Teilgrundstück mit dem Anbau. Von seinen Eltern erhielt der Kläger nach einem notariell beurkundeten Vertrag aus dem Jahre 1992 ein Darlehen, das in Höhe von 95.000 DM (48.572,73 €) noch nicht getilgt ist. Mit einem im Jahr 1998 errichteten Testament bestimmte die ihren Ehemann allein beerbende Mutter die Beklagte zu ihrer Alleinerbin und ordnete an, dass sich der Kläger den nicht zurückgezahlten Darlehensbetrag auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen müsse.

Nach dem Tode der Mutter hat der Kläger von der Beklagten einen mit ca. 44.650 € berechneten Pflichtteil geltend gemacht, dessen Zahlung die Beklagte nach Aufrechnung mit dem zwischenzeitlich gekündigten Darlehen verweigerte. Zur Begründung seiner gegen die Beklagte erhobenen Zahlungsklage hat der Kläger vorgetragen, keine Darlehensrückzahlung zu schulden. Der Darlehensvertrag aus dem Jahre 1992 sei ein Scheingeschäft gewesen und von seiner damaligen Bank erzwungen worden. Seine Bankschulden hätten seine Eltern gegen seinen Willen bezahlt und eine Erstattung von ihm, dem Kläger, nie eingefordert. Die Zahlungsklage des Klägers blieb erfolglos.

Entscheidung

Nach Ansicht der Richter stand dem Kläger zwar ein Pflichtteilsanspruch in der geltend gemachten Höhe zu. Dieser sei jedoch durch die Aufrechnung der Beklagten mit der Darlehensrückzahlungsforderung erloschen. Als Sohn der Erblasserin sei der Kläger pflichtteilsberechtigt. Die Erblasserin habe die Beklagte als Alleinerbin eingesetzt und den Kläger so enterbt. Die Erblasserin habe einen Nachlass im Wert von ca. 178.600 € hinterlassen, aus dem sich - ausgehend von einem hälftigen gesetzlichen Erbteil - ein Pflichtteilsanspruch des Klägers in Höhe von ca. 44.650 € errechne. Dieser Anspruch sei allerdings aufgrund der von der Beklagten erklärten Aufrechnung erloschen.

Infolge des Erbfalls habe die Beklagte den Darlehensrückzahlungsanspruch ihrer Mutter gegen den Kläger erworben. Mit diesem Rückzahlungsanspruch könne sie gegenüber dem Pflichtteilsanspruch aufrechnen. Dem Kläger sei 1992 von seinen Eltern ein Darlehen zur Ablösung seiner Schulden gewährt worden, das in Höhe von 95.000 DM (48.572,73 €) noch nicht getilgt sei. Die notarielle Vereinbarung aus dem Jahre 1992 bestätige diese Rückzahlungsverpflichtung, die der Kläger in der Urkunde anerkannt habe. Dass die beurkundete Vereinbarung ein Scheingeschäft gewesen oder vom Kläger seinerzeit durch ein unlauteres Verhalten seiner Bank erzwungen worden sei, habe der Kläger nicht bewiesen.

Das erstinstanzlich zuständige Landgericht habe sich nach den Vernehmungen des Sohnes und des Notars, der den Vertrag im Jahr 1992 beurkundet hatte, nicht von der Richtigkeit der Darstellung durch den Kläger überzeugen können.

Konsequenz

Grundsätzlich überzeugt die Entscheidung. Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs bleibt abzuwarten.

Dr. Andreas Rohde

Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht

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Christina Schrey

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Steuerrecht

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