Globale Mindestbesteuerung: OECD und EU veröffentlichen Regelungen

Hintergrund

Seit der Vorstellung des Aktionsplans der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der G20-Länder im Jahr 2015 hat die internationale Staatengemeinschaft zahlreiche Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung (Base Erosion and Profit Shifting, kurz BEPS) ergriffen. Der letzte wichtige Schritt bestand darin, den besonderen steuerlichen Herausforderungen der digitalen Wirtschaft zu begegnen. Mitte des Jahres 2021 erfolgte hier eine Einigung auf ein sogenanntes Zwei-Säulen-Modell (vgl. dhpg-News vom 15.7.2021). Für die zweite Säule, die Einführung einer globalen Mindeststeuer, liegen nun konkrete Regelungen der OECD und ein Vorschlag zur Umsetzung auf europäischer Ebene vor.

Musterregelungen der OECD

Die von der OECD am 20.12.2021 veröffentlichten Regelungen enthalten im Kern sogenannte GloBE-Maßnahmen (Global Anti-Base Erosion), die sicherstellen sollen, dass große multinationale Unternehmensgruppen (MNE) ein Mindestmaß an Steuern auf die Einkünfte zahlen, die in jedem der Länder und Gebiete entstehen, in denen sie tätig sind. Die GloBE-Regeln umfassen eine vorrangig anzuwendende „Income Inclusion Rule“, die ähnlich wie eine Hinzurechnungsbesteuerung wirkt, und eine nachgelagert anzuwendende „Undertaxed Payment Rule“. Die Sicherstellung der Mindestbesteuerung erfolgt dabei durch die Erhebung einer Aufstockungssteuer (sogenannte Top-up Tax) auf Gewinne in Ländern, in denen der spezifisch effektive Steuersatz unter dem Mindestsatz liegt. Der effektive Mindeststeuersatz ist auf 15 % festgelegt.

Das Schreiben ist in zehn Kapitel gegliedert.

  • Kapitel 1 definiert den Anwendungsbereich der GloBE-Regeln. Dieser umfasst (in Anlehnung an die Vorschriften zum Country-by-Country-Reporting) grenzüberschreitend agierende Unternehmen (MNE), die in mindestens zwei der vier vorangehenden Wirtschaftsjahren einen konsolidierten Umsatz in Höhe von mindestens 750 Mio. € erzielt haben.
  • Kapitel 2 fasst die Steuertatbestände zusammen.
  • In den Kapiteln 3 und 4 werden die Komponenten der Berechnung des effektiven Steuersatzes nach den GloBE-Regeln dargelegt: Kapitel 3 bestimmt die Erträge (oder Verluste) für die Periode für Unternehmen in der multinationalen Unternehmensgruppe; Kapitel 4 identifiziert dann die Steuern, die auf diese Erträge zurückzuführen sind.
  • Kapitel 5 enthält Ausführungen zur Berechnung der effektiven Steuerbelastung und der Top-up Tax.
  • Kapitel 6 fasst Regeln für Akquisitionen, Veräußerungen und Joint Ventures zusammen.
  • Kapitel 7 befasst sich mit der Anwendung der GloBE-Regeln auf bestimmte Steuerneutralitäts- und andere Verteilungsregelungen.
  • Kapitel 8 behandelt administrative Aspekte der GloBE-Regeln, einschließlich der Anforderungen an die Einreichung von Informationen sowie die Anwendung von Safe-Harbor-Regelungen.
  • Kapitel 9 enthält Übergangsbestimmungen.
  • Kapitel 10 enthält Definitionen zu Begriffen, die in den GloBE-Regeln verwendet werden.

EU-Richtlinienentwurf

Nur zwei Tage nach der OECD hat die EU-Kommission am 22.12.2021 ihren Richtlinienentwurf zur Umsetzung der globalen effektiven Mindestbesteuerung in der Europäischen Union vorgelegt. Die Mitgliedstaaten sollen bis zum 31.12.2022 Zeit haben, die Regelungen in nationales Recht umzusetzen. Die Regelungen sollen grundsätzlich (mit Ausnahme der Undertaxed Payments Rule) ab dem 1.1.2023 angewandt werden. Die Undertaxed Payments Rule soll sodann ein Jahr später (ab dem 1.1.2024) zur Anwendung kommen.

Der Aufbau des Richtlinienentwurfs und dessen Anwendungsbereich entsprechen weitestgehend den Regelungen der OECD. Ergänzend hierzu sieht der Richtlinienentwurf in Kapitel 10 die Anwendung einer Income Inclusion Rule auch für inländische, rein national tätige Großkonzerne vor.

Weitere Pläne der EU-Kommission

Zeitgleich mit dem Richtlinienentwurf zur globalen effektiven Mindestbesteuerung hat die EU-Kommission auch einen Entwurf zur Änderung der Anti-Tax Avoidance Directive (ATAD 3) vorgelegt. Dieser beinhaltet ein dreistufiges Verfahren („Substanztest“) zur Identifizierung von missbräuchlich genutzten, substanzarmen oder substanzlosen Briefkasten- oder Mantelgesellschaften. Solche Unternehmen, die keine oder nur eine minimale Geschäftstätigkeit unterhalten, sollen zukünftig Steuervorteile, die sich beispielsweise aus der Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen oder europäischen Richtlinien (z.B. Mutter-Tochter-Richtlinie) ergeben, nicht mehr in Anspruch nehmen können.

Ausblick

Zum Jahresende 2021 sind auf internationaler Ebene steuerliche Reformvorhaben gestartet, die sich im Laufe des Jahres 2022 voraussichtlich weiter konkretisieren und weit darüber hinaus die Besteuerung von international aufgestellten Unternehmensgruppen verändern werden. Was diese Entwicklung insbesondere für deutsche Unternehmen bedeutet, ist aktuell nicht absehbar; denn obwohl die nun vorgestellten Richtlinien und Entwürfe in ihrer Gesamtheit neu sind, beinhalten sie durchaus Instrumente, die heute schon unilateral im deutschen Recht verankert sind und die die betroffenen Unternehmen für erhebliche Schwierigkeiten stellen und ihnen hohe Bürokratielasten auferlegen (wie z.B. Hinzurechnungsbesteuerung oder Beschränkungen bei der Entlastung von Abzugsteuern). Eine Vereinheitlichung zumindest auf europäischer Ebene muss daher nicht zwingend von Nachteil sein. Hoffnung macht auch die Ankündigung der EU-Kommission, man wolle bis Ende 2023 „einen neuen Rahmen für die Unternehmensbesteuerung in der EU veröffentlichen, um den Verwaltungsaufwand für Unternehmen, die in mehreren Mitgliedstaaten tätig sind, zu reduzieren, steuerliche Hindernisse zu beseitigen und ein unternehmensfreundlicheres Umfeld im Binnenmarkt zu schaffen."

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Benno Lange

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

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