Finanzgericht entscheidet zu Verrechnungspreisen und Funktionsverlagerung

Hintergrund

Finanzgerichtliche Rechtsprechung zu Fragen der Verrechnungspreise bei grenzüberschreitenden Leistungsbeziehungen gibt es vergleichsweise selten. Häufig werden Beanstandungen der Finanzverwaltung anlässlich von Betriebsprüfungen im Einigungswege geklärt oder finden ihren Weg in ein Verständigungsverfahren zwischen den betroffenen Staaten, um die aus Verrechnungspreiskorrekturen regelmäßig resultierende Doppelbesteuerung zu beseitigen. Entsprechend hohe Aufmerksamkeit erhalten somit die Fälle, in denen ein Finanzgericht sich intensiv mit Verrechnungspreisfragen beschäftigt.

Sachverhalt

Im Streitfall ging es um eine deutsche GmbH, die im Rahmen eines mehrstufigen Fertigungsprozesses auf dem Gebiet der Trenn- und Zerspanungstechnik überwiegend für Kunden aus dem Automobilsektor tätig war. Die hiermit verbundenen arbeitszeitintensiven Fertigungsverfahren standen durch die hohen Kosten für Arbeit in Energie unter einem starken wirtschaftlichen Druck. Daher gründete der Geschäftsführer und alleinige Gesellschafter der GmbH im Jahr 2007 in Bosnien-Herzegowina eine weitere Kapitalgesellschaft und lagerte anschließend einen Teil der – in Deutschland nicht mehr rentablen – Produktion auf diese Gesellschaft aus. Die GmbH lieferte das zur Produktion benötigte Material und kaufte die hieraus entstehenden Halbfertig- bzw. Fertigprodukte zurück. Ab dem Jahr 2013 belieferte die bosnische Gesellschaft direkt auch eigene Kunden. Im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Jahre 2011 bis 2013 vertrat die deutsche Finanzverwaltung die Auffassung, dass aus Sicht der GmbH die Preise für die Lieferung des Materials zu niedrig und für den Kauf der Halbfertig- und Fertigprodukte zu hoch bemessen seien, und stellte daher verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) an den Gesellschafter fest. Nach erfolglosem Einspruch erhob die GmbH Klage.

Entscheidung

Das Finanzgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und zugleich – wegen grundsätzlicher Bedeutung – die Revision vor dem Bundesfinanzhof zugelassen (Finanzgericht München, Urteil vom 26.11.2019, 6 K 1918/16). In der Entscheidung, die mit insgesamt acht (!) Leitsätzen veröffentlicht wurde, setzt sich das Finanzgericht mit einer Vielzahl von Fragestellungen auseinander, die für die Verrechnungspreispraxis von Bedeutung sind. Insbesondere beschäftigt sich das Gericht auch mit verschiedenen Aspekten der Funktionsverlagerungen.

Verfahrensrechtlich sind folgende Aussagen des Gerichts wichtig:

  • Sowohl nach § 8 Abs. 3 Körperschaftsteuergesetz – KStG (vGA) als auch nach § 1 Außensteuergesetz – AStG ist ein Fremdvergleich durchzuführen, der allerdings zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. In diesen Fällen ist es vom Gesetz vorgesehen und vom im Streitfall einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen gedeckt, dass eine Korrektur auf Basis der für den Steuerpflichtigen ungünstigeren Bestimmung erfolgt.
  • Unterbliebene außerbilanzielle Hinzurechnungen – in diesem Fall wegen in Vorjahren vorgenommener Funktionsverlagerungen – können nicht in späteren Jahren nachgeholt werden. Weder nach vGA-Grundsätzen noch auf Basis von § 1 AStG kann das Prinzip der Abschnittsbesteuerung durchbrochen werden. Die Grundsätze des Bilanzenzusammenhangs gelten nicht, da es sich um außerbilanzielle Hinzurechnungen handelt.

Darüber hinaus bezieht das Gericht zu folgenden materiellen Fragen Stellung:

  • Die bloße Entsendung von zwei Mitarbeitern an ein nahestehendes Unternehmen im Ausland begründet noch keine Funktionsverlagerung. Dies soll auch dann gelten, wenn diese Mitarbeiter im Ausland Schulungsaufgaben wahrnehmen.
  • Ebenfalls keine Funktionsverlagerung liegt vor, wenn die inländische Gesellschaft keine wettbewerbsfähigen Preise mehr anbieten kann und nunmehr die ausländische Schwestergesellschaft diesen Kunden beliefert.
  • Das Finanzgericht hält eine zusammenfassende Betrachtung – auch über verschiedene Veranlagungszeiträume – für zulässig, wenn sich Vor- und Nachteile aus Sicht des Steuerpflichtigen ausgleichen. Im Streitfall hatte die GmbH Vormaterial zu günstig an ihre Schwestergesellschaft verkauft, die hieraus hergestellten Halbfertig- und Fertigprodukte allerdings später – ebenfalls zu einem vergünstigten Preis – zurückgekauft.
  • Ein zwischen verbundenen Unternehmen etwaig zu vergütender Standortvorteil in Form eines Mehrgewinns im Vergleich zur reinen Inlandsproduktion setzt voraus, dass der Steuerpflichtige bei einer reinen Inlandsproduktion einen Gewinn erzielen kann. Wird die Produktion ins Ausland verlagert, weil sie im Inland nur mit Verlusten möglich ist, führt die Verlagerung nicht zu einem solchen Mehrgewinn.

In weiteren Ausführungen setzt sich das Gericht auch mit der Wahl der richtigen Verrechnungspreismethode bei Fehlen von Vergleichswerten und Mängeln in der Dokumentation auseinander.
 

Ausblick

Auch wenn die Ausführungen in der Urteilsbegründung – insbesondere zur Methodenwahl – nicht an allen Stellen gänzlich widerspruchsfrei sind, dürfte das Finanzgericht München mit der Entscheidung einen wichtigen Beitrag zur Auslegung und gegebenenfalls Fortentwicklung der gesetzlichen Regelungen zu Verrechnungspreisen und Funktionsverlagerungen leisten. Insbesondere bei den Funktionsverlagerungen lässt das Gericht dabei ein gesundes Augenmaß erkennen. Es darf daher mit Spannung erwartet werden, ob die Entscheidung durch den Bundesfinanzhof im Revisionsverfahren (I R 54/19) bestätigt wird.

Benno Lange

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

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