Brexit: Auswirkungen auf die Ertragsbesteuerung der Unternehmen

 

Im Gegensatz zum Umsatzsteuerrecht ist das direkte Steuerrecht nicht harmonisiert. In der Vergangenheit war daher die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Treiber der Integration. Zudem gab es mehrfach Bestrebungen der Mitgliedstaaten zur Harmonisierung der direkten Steuern und zum Abbau steuerlicher Hürden im Binnenmarkt, die in verschiedenen Richtlinien gemündet haben. Durch die zukünftige Einstufung des Vereinigten Königreichs (UK) als sogenannter Drittstaat wird der Schutz durch diese Richtlinien im Bereich der direkten Steuern fortan wegfallen. Dies wird Auswirkungen u.a. auf Gewinnausschüttungen, Zinsen und Lizenzgebühren, grenzüberschreitende Umstrukturierungen sowie im Zusammenhang mit Verständigungs- und Schiedsverfahren haben, deren Umfang vom konkreten Sachverhalt abhängt. 

Gewinnausschüttungen 

Gewinnausschüttungen einer Tochtergesellschaft in UK an eine Muttergesellschaft in Deutschland unterlagen bislang einem Quellensteuerverbot aufgrund der Mutter-Tochter-Richtlinie, sofern u.a. eine Beteiligungsquote von mehr als 10 % vorlag. Deutschland stellte wiederum die empfangene Ausschüttung im Rahmen der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer zu 95 % steuerfrei. Da nach dem Brexit die Mutter-Tochter-Richtlinie nicht mehr anwendbar ist, richtet sich die Quellensteuererhebung nach britischem Recht bzw. nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und UK („DBA-UK“). Nach dem DBA-UK darf UK eine Quellensteuer von 5 % erheben. Gegenwärtig erhebt UK jedoch keine Quellensteuer auf Ausschüttungen. Insofern tritt durch einen „harten“ Brexit im Ergebnis noch keine Änderung bei der Körperschaftsteuer ein. Bei der Gewerbesteuer ergeben sich ebenfalls keine Änderungen (Kürzung des Gewerbeertrags bei Beteiligungsquote über 15 %). 

Zinsen und Lizenzgebühren 

Grundsätzlich können sich auch Quellensteuerbelastungen durch den Wegfall der Zins- und Lizenz-Richtlinie ergeben. Im direkten Verhältnis zu Deutschland sollte dies allerdings nicht der Fall sein, da das DBA-UK sowohl für Zinsen als auch für Lizenzen jeweils ein ausschließliches Besteuerungsrecht für den Ansässigkeitsstaat des jeweiligen Empfängers vorsieht. Gewährt also die deutsche Muttergesellschaft der Tochtergesellschaft in UK ein Darlehen, hat UK kein Besteuerungsrecht auf die gezahlten Zinsen. 

Grenzüberschreitende Umstrukturierungen

Innerhalb der EU sind aufgrund der Fusionsrichtlinie bestimmte Umstrukturierungen (z.B. Verschmelzung, Spaltung, Ausgliederung) auch grenzüberschreitend steuerneutral möglich. Voraussetzung ist allerdings, dass u.a. die beteiligten Unternehmen die Rechtsform eines EU-Mitgliedstaats haben. Während nationale Verschmelzungen in UK bereits aufgrund unterschiedlicher rechtlicher Rahmenbedingungen in der Praxis kaum Bedeutung hatten, werden mit Ende der EU-Mitgliedschaft auch andere Umstrukturierungen mit Bezug zu UK künftig nach allgemeinen Regeln zur Gewinnrealisation führen. Dies betrifft beispielsweise den Anteilstausch: Eine Einbringung von Anteilen in eine Drittstaaten-Gesellschaft ist umwandlungssteuerrechtlich nicht begünstigt, sodass der Aufbau von Holdingstrukturen in UK zukünftig erschwert wird. Bereits rechtlich wirksame Umwandlungen sollten von dem EU-Austritt jedoch nicht mehr betroffen sein.

Verständigungs- und Schiedsverfahren 

Die EU-Schiedskonvention hat zum Ziel, Doppelbesteuerungskonflikte bei Fragen der Einkünfteabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen zu beseitigen. Sie gewährleistet dabei eine verpflichtende Einigung der beteiligten Finanzbehörden hinsichtlich des zugrunde liegenden Doppelbesteuerungskonflikts und ist daher bei Streitigkeiten über die Angemessenheit von Verrechnungspreisen sehr hilfreich. Im Vergleich zum Schiedsverfahren gemäß DBA-UK bietet das Schiedsverfahren gemäß EU-Schiedskonvention Vorteile insbesondere bezüglich der Beteiligung des Steuerpflichtigen, der Unabhängigkeit der Schiedsrichter und der Anwendbarkeit in Dreiecksfällen, d.h. bei Beteiligung von mehr als zwei Staaten. Eine Doppelbesteuerung ist mittels des vorgenannten Verfahrens zwingend endgültig zu beseitigen. Bei Konflikten, die nicht Verrechnungspreisstreitigkeiten betreffen, kann der Steuerpflichtige zudem wählen, ob er ein Verfahren nach dem EU-DBA-Streitbeilegungsgesetz (EU-SBRL) führt. Beide Verfahren sind nach Ablauf des Übergangszeitraums nicht mehr anwendbar. Die EU-Schiedskonvention soll aber für solche Sachverhalte, die vollständig vor dem Ende der Übergangsfrist verwirklicht worden sind, noch anwendbar sein. Hieraus können sich jedoch weitere Problemstellungen ergeben. Damit verbleibt es in Neufällen beim Verständigungs- und Schiedsverfahren DBA-UK. Dieses enthält eine eigenständige Schiedsklausel, die eine verpflichtende Einigung bezüglich der Doppelbesteuerung gewährleistet. 

Fazit 

Ob sich für Unternehmen Auswirkungen aufgrund des Brexits im Zusammenhang mit dem direkten Steuerrecht ergeben, hängt vom Einzelfall ab. Bei Gewinnausschüttungen sowie Zins- und Lizenzzahlungen sollten sich materiell-rechtlich eher keine Änderungen ergeben. Gegebenenfalls sollten neue Freistellungsbescheinigungen beantragt werden. Grenzüberschreitende Umstrukturierungen werden fortan deutlich erschwert. Bei Doppelbesteuerungen bietet das DBA-UK bereits heute eine recht effektive Möglichkeit, diese zu mildern oder vollständig zu beseitigen. Aus Planungs- und Gestaltungssicht sollten Unternehmen prüfen, ob noch konkret Handlungsbedarf für geplante Maßnahmen (Ausschüttungen, Strukturierungen etc.) besteht. 

Benno Lange

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

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