Update des kirchlichen Arbeitsrechts

Arbeitsrechtliche Grundlage für circa 800.000 Mitarbeiter

Den Kirchen war bereits in der Weimarer Reichsverfassung ein weitreichendes Selbstbestimmungsrecht zugesichert, was das Grundgesetz übernommen hat. Hierunter fallen nach verbreiteter Auffassung auch Teile der Ausgestaltung des Arbeitsrechts der Kirche und ihrer Einrichtungen. Die „Grundordnung des kirchlichen Dienstes“ bildet die arbeitsrechtliche Grundlage für circa 800.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der katholischen Kirche und der Caritas. Sie gilt für alle: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Kirchenbeamte, Kleriker und Kandidat:innen für das Weiheamt, Ordensangehörige, Personen im Noviziat und Postulat, Führungskräfte, Auszubildende und ehrenamtlich Tätige.  

Bislang mussten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der katholischen Kirche und ihrer Einrichtungen eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses befürchten, wenn sie eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft eingingen oder nach einer Scheidung erneut heirateten. 2021 hatte sich eine Vielzahl von Mitarbeiter:innen als queer geoutet. Aber nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Arbeitsgerichte haben sich in den vergangenen Jahren kritischer im Hinblick auf ein kirchliches Sonderarbeitsrecht gezeigt als früher. Gerade der Europäische Gerichtshof hat den in Deutschland lange Zeit kaum angefochtenen kirchlichen Sonderweg kritisch betrachtet und dadurch eine Gewichtsverschiebung zugunsten der allgemeinen Arbeitnehmerrechte bewirkt. Mit den aktuellen Änderungen reagiert die katholische Kirche nun offenbar.

Vorgesehene Änderungen

Die Änderung der Grundordnung sieht vor, dass eine rechtliche Bewertung der persönlichen Lebensführung nicht mehr vorgenommen wird. Die persönliche Lebensführung stellt nunmehr auch im katholischen Arbeitsrecht eine unantastbare Zone dar, die insbesondere das Beziehungsleben und die Intimsphäre umfasst. Die Kirche nimmt für sich in Anspruch, dass nunmehr alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unabhängig von ihren konkreten Aufgaben und unabhängig von Herkunft, Religion, Alter, Behinderung, Geschlecht, sexueller Identität und Lebensform Repräsentantinnen und Repräsentanten der Kirche sein können. Ausschlaggebend sei immerhin aber eine positive Grundhaltung und Offenheit gegenüber der Kirche.

Die Religionszugehörigkeit soll nur noch dann Einstellungskriterium sein, wenn sie für die jeweilige Position erforderlich ist. Beispielweise für pastorale und katechetische Dienste oder für Tätigkeiten, die die katholischen Werte der Einrichtung repräsentieren, inhaltlich prägen oder mitverantworten. 

Teilerfolg

Zweifellos öffnet sich die Kirche also. Dass sie „kirchenfeindliches Verhalten“ unter ihren Mitarbeiter:innen weiterhin sanktionieren kann und dass hierzu auch der Austritt aus der Kirche zählt, wird als typisches Element auch weltlicher Tendenzunternehmen (wie etwa der Presse) jedenfalls in weiten Teilen hinzunehmen sein. Im Übrigen wird eher die Praxis als die formale Rechtsänderung zeigen, wie viel Bewegung in den bisherigen kirchlichen Sonderweg wirklich kommen wird, auch, ob trans- oder non-binäre Menschen ebenfalls von den Neuerungen profitieren werden.

Zur praktischen Anwendung gelangen die aktuellen Beschlüsse entsprechend den Regeln des kirchlichen Arbeitsrechts erst und nur dann, wenn die einzelnen Bischöfe sie in ihren jeweiligen Bistümern verabschieden. Derzeit ist abzuwarten, ob das flächendeckend geschehen wird.

Michael Huth

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Alexandra Hecht

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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Alexander Kirsch

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht

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