Immer wieder: Die Sozialversicherungspflicht der Gesellschafter-Geschäftsführer

Gesellschafter-Geschäftsführer

In fast jedem mittelständischen Unternehmen taucht sie irgendwann auf: die Frage nach der Sozialversicherungspflicht der Gesellschafter:innen und der Geschäftsführer:innen. Wer als Unternehmer:in tätig ist und Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit versteuert, zahlt auch keine Sozialversicherungsbeiträge – so der verbreitete Glaube, der in vielen Fällen ein Irrglaube ist.

Tatsächlich ist die Frage nach der Sozialversicherungspflicht der Gesellschafter:innen und der Geschäftsführer:innen diffizil, wenn auch heute in den meisten Fällen letztlich recht eindeutig zu beantworten. 

Handelt es sich um ein Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH, unterliegen alle Geschäftsführer:innen den Weisungen der Gesellschafterversammlung. So ergibt es sich aus dem Gesetz. Infolge dieser Weisungsabhängigkeit besteht im Ausgangspunkt Sozialversicherungspflicht. Dies ändert sich nur dann, wenn die Person des Weisungsempfängers (Geschäftsführer:in) und die Person des Weisungsgebers (Gesellschafterversammlung) letztlich identisch sind, am deutlichsten in der Ein-Personen-GmbH. Eine solche Geschäftsführung hängt nur von der eigenen Weisung ab und ist deshalb auch sozialversicherungsrechtlich selbstständig.

Das gilt nicht nur für jeden Mehrheitsgesellschafter, sondern für jeden Geschäftsführer, der an der GmbH beteiligt ist und dessen Stimmrecht, das durch den Gesellschaftsanteil vermittelt oder in der Satzung konkret geregelt ist, ihm in der Gesellschafterversammlung ein umfassendes Veto-Recht einräumt. An wem die Gesellschafterversammlung nicht vorbeientscheiden kann, ist als Geschäftsführer nicht sozialversicherungspflichtig. Denn die übrigen Gesellschafter:innen können ihm gegen seinen Willen keine Weisung erteilen; er kann sie durch sein Stimmrecht verhindern. Im klassischen Fall sind also auch die Gesellschafter-Geschäftsführer:innen einer GmbH mit hälftig verteilten Geschäftsanteilen (Beteiligungsquote 50:50) sozialversicherungsfrei.

Mitarbeitende Gesellschafter

Man muss sehr genau hinsehen, um erkennen zu können, dass in diesem Grenzfall für mitarbeitende Gesellschafter:innen das genaue Gegenteil gilt, wenn sie zwar einen Anstellungsvertrag mit ihrer eigenen GmbH abgeschlossen haben, aber nicht selbst zu Geschäftsführer:innen bestellt sind. Denn dann unterliegen sie als Arbeitnehmer:innen der grundsätzlichen Weisungsbefugnis der Geschäftsführer:innen. Ist der Arbeitnehmer zugleich Mehrheitsgesellschafter, kann er den Geschäftsführer allerdings anweisen, wie dieser gegenüber den Arbeitnehmer:innen – sich selbst eingeschlossen – zu agieren hat, weshalb ein solcher Mehrheitsgesellschafter indirekt – nämlich über den von ihm abhängigen (und deshalb seinerseits sozialversicherungspflichtigen) Geschäftsführer – Weisungen an sich selbst erteilen kann. Das führt zur Freiheit von Sozialversicherungsbeiträgen. Bei einer Beteiligungsquote von 50:50 kann hingegen keiner der beiden Gesellschafter allein dem Geschäftsführer eine solche Weisung erteilen. Ist deshalb von zwei Gesellschaftern mit gleichem Anteil (50:50) nur der eine auch Geschäftsführer, der andere hingegen bloßer Arbeitnehmer, so ist der Geschäftsführer sozialversicherungsfrei (weil ihm gegen seinen Willen keine Weisung erteilt werden kann; siehe oben), der Arbeitnehmer hingegen ist sozialversicherungspflichtig, weil er seine Weisungen nach dem Gesetz vom Geschäftsführer erhält, auf diesen aber mangels eigener Mehrheit in der Gesellschafterversammlung keinen Einfluss nehmen kann; da der Geschäftsführer weisungsfrei bleibt, kann er gegenüber den Arbeitnehmer:innen frei, also unabhängig vom Willen des einzelnen Gesellschafters entscheiden.

Aus demselben Grund ist selbst ein Mehrheitsgesellschafter, der im eigenen Unternehmen angestellt, aber nicht zum Geschäftsführer bestellt ist, sozialversicherungspflichtig, wenn er nicht gegen den Willen seiner Mitgesellschafter:innen entscheiden kann. Das kommt insbesondere bei erhöhten Abstimmungsquoren in Betracht, wenn etwa auf der Gesellschafterebene für Weisungen an den Geschäftsführer eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, der Mehrheitsgesellschafter aber nur über 60 % der Stimmrechte verfügt.

Fazit

Hieraus ergeben sich wichtige Ansätze für eine zielführende rechtliche Gestaltungslösung. Schon eine geringfügig abweichende Gestaltung kann zu einem eklatant anderen Ergebnis in der Sozialversicherung führen, die nur schwarz und weiß kennt: Versicherungspflicht – ja oder nein.

Wichtig zu wissen ist noch, dass die Zusammenhänge so wie geschildert nur für die GmbH (und weitgehend auch für die GmbH & Co. KG) gelten, nicht hingegen für Personengesellschaften (GbR, OHG, KG, PartG) und insbesondere auch nicht für Aktiengesellschaften (AG), in denen der Vorstand nach dem Gesetz ausdrücklich weisungsfrei agiert und deshalb in aller Regel sozialversicherungsfrei ist. Unabhängig sind die geschilderten Zusammenhänge hingegen von der Profession der Beteiligten. Insbesondere lösen rechtlich gesicherte berufliche Weisungsfreiheiten, wie sie etwa für Ärzt:innen oder auch für Rechtsanwält:innen gelten, nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die sozialversicherungsrechtlich relevante allgemeine Weisungsgebundenheit von GmbH-Geschäftsführer:innen nicht auf. Das hat das Bundessozialgericht erst kürzlich bestätigt.

Bundessozialgericht, Urteil vom 28.6.2022 – B 12 R 4/20 R
 

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