Referentenentwurf zur Novellierung des Wohn- und Teilhabegesetzes

Abgrenzung von Angebotstypen

Das WTG nimmt seit 2014 eine Typisierung der Angebote vor. So gibt es z.B. „Einrichtungen mit umfassendem Leistungsangebot“ (früher die klassischen Heime) oder Wohngemeinschaften (selbst organisiert oder anbieterorganisiert). Die Abgrenzungskriterien werden jetzt teilweise überarbeitet. Für Einrichtungen mit umfassendem Leistungsangebot wird die hauswirtschaftliche Versorgung anders umschrieben, nicht unbedingt präziser. Wohngemeinschaften wie Wachkoma-WGs, in denen die Nutzer untereinander nicht oder nicht ausreichend interagieren können, sollen als selbstverantwortete Wohngemeinschaften existieren bzw. ordnungsrechtlich anerkannt werden können. Tagesstätten der Eingliederungshilfe sollen nach der Begründung auch weiterhin nicht in den Anwendungsbereich des WTG fallen.

Personelle Anforderungen

Die Mindestanforderungen an eine Einrichtungsleitung sollen vereinfacht werden. Die Pflegedienstleitung soll nach dem Willen des Gesetzgebers gestärkt werden. Das vorgesehene Mittel der Weisungsungebundenheit ist arbeitsrechtlich freilich schwer vorstellbar. Bei der Fachkraftquote hält der Gesetzgeber – wenig überraschend – an der bekannten Quote von 50 % fest. Eigentlich erwartet die Praxis andere Vorgaben. Bisher sollten sich die Leistungsanbieter amtliche Führungszeugnisse vorlegen lassen, zukünftig müssen sie es.

Bauliche Besonderheiten
Zukünftig soll ein Raucherraum bereitgestellt werden. Die Leistungsanbieter sollen Zugang zum Internet schaffen, bevorzugt WLAN. Andere Fragen in der Pflege sind sicher dringlicher.

Verschärfung des Sanktionssystems
Bisher heißt es im Gesetzestext, die Behörde kann Anordnungen erlassen; zukünftig soll es heißen, sie soll Anordnungen erlassen. Ob sich hierdurch gravierende Unterschiede ergeben, kann bezweifelt werden. Die Ordnungswidrigkeitenkataloge in Gesetz und Verordnung werden um neue Tatbestände erweitert. In der Begründung heißt es lapidar, das WTG enthalte nicht ausreichend Ahndungsmöglichkeiten bei Pflichtverstößen. Bisher gab es im Gesetz acht Tatbestände, zukünftig elf.

Leistungsannahme

Der Anwendungsbereich des Leistungsannahmeverbots soll auf das Servicewohnen erweitert werden. Das erscheint weit gegriffen, immerhin wird ein Grundrecht eingeschränkt (Testierfreiheit). Als in der Vergangenheit ein Testierverbot zugunsten von Heimen eingeführt wurde, gab es eine breite verfassungsrechtliche Debatte und am Ende ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Dessen Begründung hat die Einschränkung der Testierfreiheit lediglich mit Besonderheiten in vollstationären Einrichtungen gerechtfertigt.

Digitalisierung als „Mogelpackung“?
Das Mantra der Digitalisierung hat auch im Einrichtungsrecht Einzug gehalten. Das Datenportal PfAD.wtg soll bereitgestellt werden. Die Leistungsanbieter sollen zukünftig elektronisch taggenau die Zahl der freien Plätze übermitteln. In der Pressemitteilung des Ministeriums wird hervorgehoben, dass sich Bürgerinnen und Bürger auf einer zentralen Internetplattform über freie Plätze informieren können. Im Verordnungstext spielt der Aspekt der Bürgerinformation freilich keine Rolle, jedenfalls findet sich dort gar keine Ermächtigung zur Einrichtung eines Informationsportals. Im Entwurf geht es vielmehr um die Nutzungspflicht des elektronischen Datensystems durch die WTG-Behörden, die Ermächtigung zum Datenaustausch unter Behörden, Sozialversicherungsträgern, Prüfinstitutionen, Institutionen der Gefahrenabwehr und die Ermächtigung des Ministeriums, zum Zwecke der landesweiten Planung Auswertungen vorzunehmen und zu veröffentlichen
 

Transparenzabbau

Die Selbstdarstellung der Leistungsanbieter zum Ergebnisbericht im Internetportal soll abgeschafft werden. Das wird keinen Bestand haben. Die Veröffentlichung von Qualitätsberichten bedarf einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, die nicht nur den Anforderungen des Grundgesetzes, sondern auch denen des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung trägt. Dazu zählt auch, dass der Betroffene die Möglichkeit haben muss, eine andere Sicht der Dinge darzulegen.

Stefan Knobloch

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater

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