Steuerliche Behandlung eines punktuell satzungsdurchbrechenden inkongruenten Vorabgewinnausschüttungsbeschlusses

Voraussetzungen der inkongruenten Gewinnausschüttung

Die Gesellschafter:innen einer GmbH entscheiden in einem Gewinnverwendungsbeschluss darüber, ob der Gewinn der GmbH thesauriert oder ausgeschüttet wird. Wenn der Gesellschaftsvertrag keine gesonderte Regelung zur Gewinnverteilung und keine Öffnungsklausel enthält, sind die Gewinne entsprechend der gesetzlichen Regelung nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile zu verteilen. Erfolgt die Verteilung durch Ermächtigung anteilsabweichend, spricht man von einer sogenannten disquotalen oder inkongruenten Gewinnverteilung. Die Finanzverwaltung beäugt inkongruente Gewinnausschüttungen kritisch und verlangt nach einem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) für die steuerliche Wirksamkeit

  • die Festsetzung eines konkreten Verteilungsmaßstabs im Gesellschaftsvertrag oder 
  • eine Klausel, nach der alljährlich mit Zustimmung der beeinträchtigten Gesellschafter:innen oder einstimmig über eine von der satzungsgemäßen Regelung abweichende Gewinnverteilung beschlossen werden kann und der Beschluss mit der in der Satzung bestimmten Mehrheit gefasst worden ist.

Für den Fall einer nachträglichen Satzungsänderung zur Regelung einer ungleichen Gewinnverteilung ist die Zustimmung aller beteiligten Gesellschafter:innen erforderlich. Falls die Gesellschafterversammlung ohne Ermächtigung im Gesellschaftsvertrag oder ohne Öffnungsklausel von der gesetzlichen Regelung abweicht, liegt ein satzungsdurchbrechender inkongruenter Ausschüttungsbeschluss vor, der die Voraussetzungen des Finanzamts nicht erfüllt. Der Bundesfinanzhof sieht das in einigen Fällen anders.

Finanzamt unterstellt nichtige Verwendungsbeschlüsse und Gestaltungsmissbrauch

Die klagende Privatperson war zu 50 % an der GmbH 1 beteiligt. Die anderen Anteile von 50 % hielt die GmbH 2, deren alleiniger Gesellschafter ebenfalls der Kläger war. Die Gesellschafter:innen der GmbH 1 fassten in den vier Streitjahren jeweils einstimmig Vorabausschüttungsbeschlüsse, mit denen die Vorabgewinne nur an die GmbH 2 verteilt wurden. Der Gesellschaftsvertrag der GmbH 1 enthielt keine Regelungen zur Gewinnverteilung, sodass laut Gesetz die Verteilung nach Beteiligungsverhältnissen zu erfolgen hätte. Nach einer Außenprüfung sah das Finanzamt die Ausschüttungsbeschlüsse über insgesamt 8,8 Mio. € wegen der inkongruenten Verteilung der Vorabgewinne als zivilrechtlich nichtig an und unterwarf die hälftigen Ausschüttungsbeträge beim Kläger als Einkünfte aus verdeckten Gewinnausschüttungen der Besteuerung. Die Anschaffungskosten des Klägers für die Anteile an der GmbH 2 seien zu erhöhen, weil der Kläger die ihm zustehenden Ausschüttungsbeträge im Wege eines abgekürzten Zahlungswegs der GmbH 2 als Einlagen zugewendet habe. Hilfsweise ergebe sich für den Fall einer zivilrechtlichen Wirksamkeit der Beschlüsse ein Gestaltungsmissbrauch mit gleicher Besteuerungsfolge. Die hiergegen beim Finanzgericht Münster eingelegte Klage führte zum Erfolg.

Punktuell satzungsdurchbrechende Beschlüsse sind wirksam

Der Bundesfinanzhof hat die Revision des Finanzamts als unbegründet zurückgewiesen, weil die einstimmig gefassten Ausschüttungsbeschlüsse als zivilrechtlich wirksame Gewinnverwendungs- und -verteilungsbeschlüsse der Besteuerung zugrunde zu legen seien. Der Senat unterschied in seiner Urteilsbegründung zwischen (nichtigen) satzungsdurchbrechenden Beschlüssen mit Dauerwirkung und den im Streitfall vorliegenden punktuell wirkenden Beschlüssen, die nicht nichtig, aber anfechtbar seien. Haben aber wie im Streitfall sämtliche Gesellschafter:innen der inkongruenten Gewinnverteilung zugestimmt, könne der Beschluss von keinem der Gesellschafter angefochten werden, denn die Zustimmung aller Gesellschafter:innen führe für jede:n Gesellschafter:in zum Verlust der Anfechtungsberechtigung. Auch die Zurechnung der hälftigen Ausschüttungsbeträge beim Kläger aufgrund eines Gestaltungsmissbrauchs komme nicht in Betracht, weil zivilrechtlich wirksam beschlossene inkongruente Ausschüttungen steuerlich (entgegen der Auffassung im BMF-Schreiben) anzuerkennen seien. Zudem könne dem Kläger kein unrechtmäßiger steuerlicher Vorteil entstanden sein, denn das Ausschüttungspotenzial sei nur auf eine andere GmbH mit denselben Besteuerungsregeln übergegangen.

Konsequenz

Der Bundesfinanzhof hat in einem weiteren Urteil die steuerliche Anerkennung einer anteilsabweichenden Verteilung des Gewinns ausgeweitet. Die Anlässe für inkongruente Gewinnausschüttungen sowie die zivil- und steuerrechtlichen Voraussetzungen sollten Sie mit Ihrer Beraterin oder Ihrem Berater besprechen.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 28.9.2022 – VIII R 20/20
 

Stefan Hamacher, LL.M.

Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

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Michael Mittmann

Steuerberater

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