Hinzurechnungsbesteuerung auf dem EU-Prüfstand

Hintergrund

Mit der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung, die 1972 eingeführt wurde, sollen unerwünschte Gestaltungen bekämpft werden, die das internationale Besteuerungsgefälle zwischen den Ländern ausnutzen. Die Vorschrift wurde 2008 aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs um einen so genannten Motivtest erweitert. Danach ist es möglich, die allgemeine Missbrauchsvermutung der Hinzurechnungsbesteuerung zu widerlegen, indem ein Nachweis für die Zwischenschaltung der ausländischen Gesellschaft aus wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Gründen, und nicht nur aus rein steuerlichen Motiven erbracht wird. Der Nachweis kann aber nicht für Drittstaatenfälle erbracht werden. Der Bundesfinanzhof hat daher den Europäischen Gerichtshof zur Klärung angerufen.

Sachverhalt

Eine deutsche GmbH war zu 30 % an einer schweizerischen Gesellschaft (AG) beteiligt. Die AG handelte mit Forderungen, die sie zuvor von der GmbH erwarb, und erzielte hieraus Einkünfte. Das Finanzamt sah in der AG eine Zwischengesellschaft für Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter und stellte u.a. Einkünfte aus passivem Erwerb in Höhe von 546.651 € fest. Im Finanzgerichtsverfahren wurde die Klage als unbegründet abgewiesen, da die AG ausschließlich Handel mit Forderungen betrieben habe. Einen Nachweis, dass die erworbenen Forderungen im Zusammenhang mit einer „aktiven“ Tätigkeit stünden, sei nicht erbracht worden.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass die Beurteilung durch das Finanzgericht - zumindest vor dem Hintergund innerstaatlichen Rechts - zutreffend war. Denn die Einkünfte der AG unterliegen als Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung. Die Kapitalverkehrsfreiheit wirkt in ihrem Schutzbereich jedoch auch in Drittstaatenfällen, ist aber dann nicht anwendbar, wenn die in Rede stehende Vorschrift bereits zum 31.12.1993 eingeführt worden ist. Die Vorschriften zur Hinzurechnungsbesteuerung wurden in 1972 eingeführt, jedoch in der Zwischenzeit umfassend überarbeitet. Der Europäische Gerichtshof hat daher in einem ersten Schritt zu klären, ob die „Fortbestandsgarantie“ der alten Regelung die Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit ausschließt. Falls dem nicht so ist, hat der Europäische Gerichtshof zu klären, ob die deutschen Vorschriften europarechtskonform sind.

Konsequenz

Sollten die Vorschriften gegen Europarecht verstoßen, wird wohl der Motivtest auch auf Drittstaatensachverhalte anzuwenden sein. Für diesen Fall würde sich der Anwendungsbereich der Hinzurechnungsbesteuerung noch einmal verringern und deren Notwendigkeit insgesamt in Frage stellen. Die Entscheidung könnte aber auch Einfluss auf weitere Vorschriften zur Hinzurechnungsbesteuerung in Drittstaatenfällen haben. Steuerpflichtige sollten entsprechende Veranlagungen offenhalten. Einspruchsverfahren ruhen zwangsweise. Aufgrund des derzeitigen Zinsniveaus sollte ein etwaiger Antrag auf Vollziehungsaussetzung nur aus Liquiditätsgründen gestellt werden.

Benno Lange

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

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