Grundsatzurteil des EuGH zur umsatzsteuerlichen Organschaft

 

Mit Spannung ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Organschaft erwartet worden. Denn es deutete sich an, dass sich hieraus gravierende Änderungen für das deutsche Umsatzsteuergesetz (UStG) ergeben könnten. Nun ist das Urteil da. Wir zeigen Ihnen, was dies für Sie bedeutet.

Was stand auf dem Prüfstand?

In drei wesentlichen Punkten vertrat die Generalanwältin ein vom UStG abweichendes Verständnis der Organschaft. Demnach soll:

  • nicht der Organträger Steuerpflichtiger sein, sondern die MwSt.-Gruppe,
  • die finanzielle Eingliederung keine Voraussetzung für die Organschaft sein und 
  • der Eintritt in die Organschaft für die Organgesellschaften nicht mit dem Verlust ihrer Selbstständigkeit verbunden sein.

Das Urteil des EuGH und die Folgen

Organträger als Steuerpflichtiger
Grundsätzlich sieht der EuGH die MwSt.-Gruppe als Steuerpflichtigen an, hält es aber für zulässig, den Organträger als einzigen Steuerpflichtigen zu bestimmen, sofern keine Steuerverluste erfolgen. Dies ist aufgrund der bestehenden Haftungsregelungen gewährleistet.

Folge: Es bleibt bei der Regelung des UStG, wonach der Organträger alleiniger Steuerpflichtiger ist. Veranlagungen müssen nun nicht mehr diesbezüglich offengehalten werden.

Finanzielle Eingliederung
Hier stellt sich der EuGH gegen die „deutsche“ Auffassung. Zwar bedarf es einer finanziellen Eingliederung, diese erfordert jedoch nur eine Mehrheitsbeteiligung. Eine Stimmrechtsmehrheit ist dagegen nicht nötig.

Folge: Für bestehende Organschaften ändert sich nichts. Dafür erweitert sich der Kreis der Unternehmensgruppen, die für eine Organschaft infrage kommen, da die Voraussetzung der Stimmrechtsmehrheit entfällt. 

Selbstständigkeit der Organgesellschaften
Laut EuGH ist es nicht zulässig, Organgesellschaften typisierend als nicht selbstständig anzusehen, nur weil sie Teil des Organkreises sind.

Folge: Bisher gelten Umsätze innerhalb einer Organschaft als nicht steuerbar. Die Aussage des EuGH kann bedeuten, dass dies zukünftig nicht mehr der Fall sein wird. 

Handlungsbedarf für Sie?

Es ist zu prüfen, ob sich aus dem Urteil für Sie bzw. Ihre Unternehmensgruppe Handlungsbedarf ergibt. Dieser kann aus den verringerten Anforderungen an die finanzielle Eingliederung resultieren, aber auch aus der gegebenenfalls möglichen Steuerbarkeit der Innenumsätze und der sich hieraus ergebenden Konsequenzen für den Vorsteuerabzug. Ob dies positiv oder negativ zu bewerten ist, hängt vom Einzelfall ab. So können Unternehmensgruppen von der Ausweitung der für eine Organschaft infrage kommenden Unternehmen profitieren, andere werden hierüber nicht erfreut sein. Soweit sich Vorteile für Sie ergeben, ist zumindest sicherzustellen, dass die entsprechenden Veranlagungen offengehalten werden. Daneben sind die Folgeentscheidungen des Bundesfinanzhofs, die hierauf folgenden Reaktionen der Finanzverwaltung sowie die weiteren Entscheidungen des EuGH zu beachten. So hat der EuGH zeitgleich in einem weiteren Verfahren die Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe verneint, wenn eine Organgesellschaft eine Leistung für den Hoheitsbereich des Organträgers erbringt.


Wir werden Sie über die weiteren Entwicklungen zeitnah informieren. Für Rückfragen stehen Ihnen unsere Umsatzsteuerexpert:innen gerne zur Verfügung.

Europäischer Gerichtshof, Urteile vom 1.12.2022 – C-141/20 und C-269/20
 

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