Gesetzgebungsverfahren zum Jahressteuergesetz 2022

Kernaussage

Nachfolgend erhalten Sie einige Anmerkungen zum Gesetzgebungsverfahren des Jahressteuergesetzes 2022, die insbesondere auch für land- und forstwirtschaftliche Unternehmer von Bedeutung sind. So ist u.a. vorgesehen, mehrere Freibeträge zu erhöhen und Immobilien-Abschreibungen zu verbessern.

Inhalt

Im Jahressteuergesetz ist u.a. vorgesehen, mehrere Freibeträge zu erhöhen und Immobilien-Abschreibungen zu verbessern. Außerdem soll die wegen der Corona-Pandemie eingeführte sogenannte Homeoffice-Pauschale von fünf Euro pro Tag dauerhaft entfristet und der maximale Abzugsbetrag von 600 Euro auf 1.000 Euro pro Jahr angehoben werden. Der Sparer-Pauschbetrag soll von derzeit 801 Euro auf 1.000 Euro für Alleinstehende und das Doppelte für Ehegatten beziehungsweise Lebenspartner steigen.

Ertragsteuerbefreiung für bestimmte Photovoltaikanlagen, § 3 Nr. 72 EStG-E

Es soll eine Ertragsteuerbefreiung für Einnahmen aus dem Betrieb von Photovoltaikanlagen bis zu einer Bruttonennleistung (lt. Marktstammdatenregister) von 30 kW auf Einfamilienhäusern und Gewerbeimmobilien bzw. 15 kW je Wohn- und Gewerbeeinheit bei übrigen, überwiegend zu Wohnzwecken genutzten Gebäuden (z.B. Mehrfamilienhäuser, gemischt genutzte Immobilien) eingeführt werden. Die Steuerbefreiung soll dabei für den Betrieb einer einzelnen Anlage oder mehrerer Anlagen bis max. 100 kW (peak) gelten. Die 100-kW (peak)-Grenze soll dabei pro Steuerpflichtigem bzw. Mitunternehmerschaft zu prüfen sein. Die Steuerbefreiung soll unabhängig von der Verwendung des erzeugten Stroms sein.

Werden in einem Betrieb nur steuerfreie Einnahmen aus dem Betrieb von begünstigten Photovoltaikanlagen erzielt, soll hierfür kein Gewinn mehr ermittelt werden müssen. Bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften (z. B. Vermietungs-GbR) soll der Betrieb von Photovoltaikanlagen, die die begünstigten Anlagengrößen nicht überschreiten, nicht zu einer gewerblichen Infektion der Vermietungseinkünfte führen.

§ 3 Nr. 72 EStG-E soll auf Einnahmen und Entnahmen anzuwenden sein, die nach dem 31. Dezember 2022 erzielt oder getätigt werden.

Gebäude-AfA, § 7 Abs. 4 EStG-E

Der lineare AfA-Satz für neue Wohngebäude soll von 2 Prozent auf 3 Prozent angehoben werden (§ 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG-E). 

Die Anhebung des linearen AfA-Satzes für neue Wohngebäude auf 3 Prozent wurde im Koalitionsvertrag vereinbart. Die Anhebung der linearen AfA für neue Wohngebäude ist eine politisch motivierte Förderung zur Unterstützung einer klimagerechten Neubauoffensive. Die aus dem Ansatz des höheren pauschalen AfA-Satzes resultierende kürzere Abschreibungsdauer von 33 Jahren hat keinen Einfluss auf die Beurteilung der tatsächlichen Nutzungsdauer von Wohngebäuden. Diese wird regelmäßig auch mehr als 50 Jahre betragen.

Nach § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG wird aufgehoben. Nach dieser Regelung kann die Gebäude-AfA bisher in begründeten Ausnahmefällen - abweichend zu dem typisierten AfA-Satz - nach einer tatsächlich kürzeren Nutzungsdauer bemessen werden. Diese Ausnahmeregelung soll aufgehoben werden.

Nach Auffassung des BFH (Urteil v. 28.07.2021 - IX R 25/19 ) können sich Steuerpflichtige, die sich auf eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer im Sinne des § 7 Absatz 4 Satz 2 EStG berufen, jeder geeigneten Darlegungsmethode bedienen. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung hat der BFH insbesondere die zur Verkehrswertermittlung von Grundstücken modellhaft ermittelte Restnutzungsdauer als einen nicht zu beanstandenden Ausgangspunkt für den Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer angesehen. Die vom BFH erkannte Zulässigkeit von diversen Nachweismethoden zur Schätzung von Nutzungsdauern kehrt nach Auffassung der Finanzverwaltung die Ausnahme-Betrachtung im § 7 Absatz 4 Satz 1 und 2 EStG in eine Regel-Betrachtung um. Die aktuelle Rechtsprechung des BFH führt in der Praxis bereits jetzt zu einer deutlichen Zunahme von Anträgen auf Ansatz einer kürzeren Nutzungsdauer und damit einer höheren Abschreibung für Gebäude. Die Prüfung der Anträge – die auf Grund der Entscheidung des BFH im Einzelfall sehr verschieden ausfallen werden – würde zu einer erheblichen Zunahme des Bürokratieaufwands für Verwaltung, Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger führen. Die Beurteilung der für einen Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer maßgeblichen Determinanten, wie der technische Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung und die rechtlichen Nutzungsbeschränkungen, ist häufig streitbefangen. Im Ergebnis handelt es sich immer um Einzelfallentscheidungen, die mit erheblichem Bearbeitungs- und Auseinandersetzungsaufwand verbunden sind.

Die Aufhebung der Ausnahmeregelung zum Ansatz einer kürzeren Nutzungsdauer bei der AfA für Gebäude führt zu einer deutlichen Verbesserung in der Rechtsanwendung, zu einer deutlichen Minderung des Bürokratieaufwands für Verwaltung, Bürger und Unternehmen und zu einer Vermeidung unkontrollierter Steuermindereinnahmen. Die Aufhebung der Ausnahmeregelung führt auch nicht zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung. Die Abschreibung von Gebäuden erfolgt bereits jetzt nach pauschalierten festen AfA-Sätzen, die weitgehend nicht mit der tatsächlichen Nutzungsdauer des Gebäudes korrelieren. Bei einem Kauf eines bestehenden Gebäudes erfolgt die AfA ebenfalls nach dem feststehenden AfA-Satz, so dass die AfA unabhängig vom tatsächlichen Alter des Gebäudes immer nach demselben AfA-Satz erfolgt. Der pauschalierte Ansatz ist besonders einfach und klar in der Rechtsanwendung. Die Abschaffung von Ausnahmen im Steuerrecht trägt zudem zur Rechtsklarheit und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes bei.

Die Neuregelung soll für nach dem 30.6.2023 erstellte Wohngebäude gelten.

AfA bei Mietereinbauten und -umbauten, § 7 Abs. 5a S. 2 EStG-E

Mietereinbauten und -umbauten, die keine Scheinbestandteile oder Betriebsvorrichtungen sind, Ladeneinbauten und ähnliche Einbauten gehören zu den selbständigen unbeweglichen Wirtschaftsgütern im Sinne des § 7 Absatz 5a EStG, für die § 7 Absatz 4 und 5 EStG entsprechend Anwendung finden. Sonstige Mieterein-/umbauten, die dem Mieter als wirtschaftlichen Eigentümer zuzurechnen sind oder besonderen betrieblichen oder beruflichen Zwecken des Mieters dienen, werden als unbewegliche Wirtschaftsgüter jedoch grundsätzlich über die jeweilige Mietdauer bzw. über die voraussichtlich kürzere betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer abgeschrieben. Die Abschreibung erfolgt bisher nach § 7 Absatz 5a in Verbindung mit Absatz 4 Satz 2 EStG über die tatsächliche Nutzungsdauer.

Diese Möglichkeit würde mit Aufhebung von § 7 Absatz 4 Satz 2 EStG zukünftig entfallen. Für Mieterein-/umbauten, die keine Scheinbestandteile oder Betriebsvorrichtungen sind, Ladeneinbauten und ähnliche Einbauten soll daher durch Ergänzung des § 7 Absatz 5a EStG die Möglichkeit der Abschreibung nach der tatsächlichen Nutzungsdauer beibehalten bleiben.

Pauschalversteuerungsoption, § 40a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG-E

Die Arbeitslohngrenze bei kurzfristiger Beschäftigung soll von 120 auf 150 EUR je Arbeitstag angehoben, damit die Pauschalversteuerungsoption ihre bisherige praktische Bedeutung auch in Zukunft behält.
Soll für den Lohnsteuerabzug ab 2023 gelten.

Lieferung und Installation von Photovoltaikanlagen, § 12 Abs. 3 UStG-E

Die Neuregelung sieht vor, dass auf die Lieferung, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie die Installation von Photovoltaikanlagen einschließlich der Stromspeicher ein Nullsteuersatz anzuwenden ist. Der Vorsteuerabzug als Grund für einen Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung soll damit entfallen, weil die Lieferung von Photovoltaikanlagen ohnehin nicht mehr mit Umsatzsteuer belastet ist.

Voraussetzung ist, dass die Photovoltaikanlage auf und in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen oder anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert wird. Davon soll ausgegangen werden können, wenn installierte Bruttoleistung der Photovoltaikanlage nicht mehr als 30 kW (peak) beträgt.

Die Regelung soll ab dem 01.01.2023 gelten.

Änderungen im Bewertungsgesetz

Im Bewertungsgesetz sollen insbesondere das Ertrags- und Sachwertverfahren zur Bewertung bebauter Grundstücke sowie die Verfahren zur Bewertung in Erbbaurechtsfällen und Fällen mit Gebäuden auf fremdem Grund und Boden an die geänderte Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) vom 14. Juli 2021 (BGBl. I S. 2805) angepasst werden.
Dabei soll sichergestellt werden, dass die von den Gutachterausschüssen für Grundstückswerte auf der Grundlage der ImmoWertV ermittelten sonstigen für die Wertermittlung erforderlichen Daten unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Modellkonformität weiterhin bei der Grundbesitzbewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie Grunderwerbsteuer sachgerecht angewendet werden können.
Die Neuregelungen sollen für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2022 gelten.

Hinweis

Die vorgesehenen Änderungen des BewG können dazu führen, dass Grundstücke mit höheren Werten bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer zu berücksichtigen sind, so dass aus der unentgeltlichen Übertragung des Grundstücks selbst oder eines Anteils an einer grundbesitzenden Gesellschaft höhere Steuerbelastungen folgen können. In der Praxis ist daher zu empfehlen, zu prüfen, ob bereits angedachte unentgeltliche Übertragungen von dieser Gesetzesänderung wesentlich betroffen sind und daher noch vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum 01.01.2023 umgesetzt werden sollten. 

Höhere Werte resultieren dabei bei Anwendung des Ertragswertverfahrens insbesondere daraus, dass die Höhe der im Gesetz vorgesehenen Liegenschaftszinssätze angepasst werden soll, die auch Einfluss auf die Höhe des Vervielfältigers haben. Diese pauschalen Zinssätze würden zur Anwendung kommen, wenn die Gutachterausschüsse selbst keine Liegenschaftszinssätze zur Verfügung stellen. Zudem soll die bisherige pauschale Wertermittlung der Bewirtschaftungskosten auf Basis eines Prozentsatzes der Jahresmiete aufgegeben werden (überarbeitete Anlage 23 BewG-E). Bei Anwendung des Sachwertverfahrens soll die Ermittlung des Gebäudesachwerts ebenfalls angepasst werden und in das Verfahren ein Regionalfaktor sowie ein Alterswertminderungsfaktor aufgenommen werden. Zudem ist eine Erhöhung der Wertzahlen in § 191 BewG-E vorgesehen, was ebenfalls zu höheren Grundstückswerten führen würde. Darüber hinaus sieht der Entwurf eine Verlängerung der Gesamtnutzungsdauer für bestimmte Gebäudearten (insbes. für Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke, Wohnungseigentum) von 70 auf 80 Jahre (Anl. 22 BewG-E) vor, was ebenfalls zu höheren Werten führen wird. 

Das weitere Gesetzgebungsverfahren bleibt abzuwarten.

Fundstelle

Bundestags-Drs. 20/3879

Andrea Köcher

Steuerberaterin

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