Anreise des Arbeitnehmers zu Fortbildung vor Vertragsbeginn zählt bereits als erster Arbeitstag

Sachverhalt

Ein Arbeitnehmer wurde bei einem Bundesamt als Tarifbeschäftigter eingestellt. Vertragsbeginn sollte der 5.9.2016 sein. Ihm wurde mitgeteilt, dass er durch Schulungen auf seine zukünftige Tätigkeit vorbereitet werden und er sich dafür am 5.9.2016 um 9.00 Uhr bei einem Schulungszentrum melden solle. Der Arbeitnehmer erklärte, bereits am 4.9.2016 dort anreisen zu wollen, und bat um Übernahme der Übernachtungs- und Fahrtkosten, die vom Arbeitgeber auch bezahlt wurden. Im Arbeitsvertrag war ohne Sachgrund eine zeitliche Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zum 4.9.2018 vereinbart. Der Arbeitnehmer wandte sich nach Ablauf dieser Frist gegen die Befristungsabrede und meinte, das Arbeitsverhältnis habe nicht erst am 5.9.2016, sondern bereits am 4.9.2016 mit Anreise zu den Schulungen begonnen, sodass die Befristung nach der maximal zulässigen Höchstdauer von zwei Jahren bereits am 3.9.2018 hätte enden müssen. Er klagte und bekam recht: Die sachgrundlose Befristung des Arbeitsverhältnisses war aufgrund der Überschreitung der Höchstdauer der Befristung um einen Tag unwirksam.

Entscheidung

Das Gericht stellte fest, dass nicht allein das Datum im Arbeitsvertrag für die Bestimmung des Beginns des Beschäftigungsverhältnisses maßgeblich ist, sondern bei der Überlegung, was die Parteien tatsächlich gewollt haben, auch weitere Umstände des Vertragsschlusses zu berücksichtigen sind. Hier hatte der Arbeitgeber die Schulungsteilnahme angeordnet und die Kostenübernahme für die frühere Anreise des Arbeitnehmers bewilligt. Daraus schlossen die Richter, dass beide Parteien sich einig waren, dass der Arbeitnehmer bereits am 4.9.2016 zu der Schulung anreisen sollte. Hätte der Arbeitgeber diese frühe Anreise nicht gewollt, hätte er dies z.B. durch Ablehnung der Kostenübernahme klarstellen müssen. Die Anreise zur Schulung stellte keine reine Vorbereitungshandlung dar, sondern war bereits Teil des Arbeitsverhältnisses und damit Arbeitszeit. Dadurch wurde das Arbeitsverhältnis bereits am 4.9.2016 mit der Anreise in Vollzug gesetzt. Die zugelassene Höchstdauer der Befristung von zwei Jahren war damit im Arbeitsvertrag um einen Tag überschritten, weshalb der Arbeitnehmer einen Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung hatte. Dabei war auch die getroffene Vereinbarung unerheblich, dass vertragliche Änderungen und Ergänzungen der Schriftform bedurften: Bei Beginn des Arbeitsverhältnisses bereits durch die Anreise zu den Schulungen handelt es sich nicht um eine Änderung des Vertrags, sondern um die Konsequenz dessen, was beide Parteien nach Feststellung des Gerichts von Anfang an gewollt haben – den Beschäftigungsbeginn bereits ab dem 4.9.2016.

Konsequenz

Will ein Arbeitgeber den Arbeitnehmer sachgrundlos befristet einstellen, ist Vorsicht geboten. Denn reist der Arbeitnehmer bereits einen Tag vor seinem eigentlichen Arbeitsbeginn zu einer Schulung an einen vom Arbeitgeber bestimmten Ort an, beginnt das Arbeitsverhältnis bereits mit dieser Dienstreise. Dauert dadurch also ein auf zwei Jahre befristetes Arbeitsverhältnis zwei Jahre und einen Tag, ist die zulässige Höchstdauer einer Befristung ohne Sachgrund überschritten. Die Befristungsabrede ist dann unwirksam. Bei Vertragsschluss sollte deshalb darauf geachtet werden, dass Dienstreisen nicht zu früh stattfinden oder dieser faktisch frühere Beginn in die Berechnung der Befristungsdauer miteinbezogen wird.

Christina Schrey

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Steuerrecht

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Alexandra Hecht

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Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht

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