Annahmeverzugslohn wegen widersprüchlichen Verhaltens der Arbeitgeber

Was ist vorgefallen?

Die Beklagte kündigte dem Kläger im Dezember 2019 fristlos. Das Kündigungsschreiben enthielt dabei den Zusatz: „Im Falle der Ablehnung der außerordentlichen Kündigung durch Sie (also im Falle, dass Sie von einem unaufgelösten Arbeitsverhältnis ausgehen) oder im Falle der Annahme des folgenden Angebots erwarten wir Sie am 5.12.2019 zum Arbeitsantritt.“ Der Mitarbeiter lehnte das Angebot ab und erschien nicht zur Arbeit. 

Die Beklagte kündigte daraufhin erneut fristlos. In dem Kündigungsschreiben wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass sie ihn „im Falle der Ablehnung der außerordentlichen Kündigung am 17.12.2023 spätestens zum Arbeitsantritt“ erwarte. Auch nach dieser Aufforderung erschien der Mitarbeiter nicht zur Arbeit. Die Beklagte zahlte dem Mitarbeiter für den Monat Dezember 2019 nur noch eine Teilvergütung. Im anschließenden Kündigungsschutzprozess wurden die fristlosen Kündigungen für unwirksam erklärt. 

Gegenstand der nun letztinstanzlich durch das BAG entschiedenen Klageforderung des Arbeitnehmers waren die Gehaltszahlungen bis zum Antritt der neuen Beschäftigung im April des Folgejahres. 

Entscheidung des BAG

Das BAG gab der Klage statt und entschied, dass der Arbeitgeber die Lohnforderung des Arbeitnehmers erfüllen muss.  

Das Gericht ist der Auffassung, dass sich die Beklagte trotz fehlendem Arbeitsangebot des Klägers in Annahmeverzug befindet. Dies folge aus dem widersprüchlichen Verhalten der Beklagten. Die Beklagte führe selbst aus, dass ihr eine Weiterbeschäftigung des Klägers nicht zugemutet werden konnte, da sie dem Kläger aufgrund von umfangreichem Fehlverhalten fristlos gekündigt habe. Insofern könne es sich nicht um ein ernst gemeintes Weiterbeschäftigungsangebot handeln. Unschädlich sei, dass der Kläger dieses Angebot nicht angenommen habe. Hier hatten die zuvor mit diesem Fall beschäftigten Gerichte anders entschieden und waren davon ausgegangen, dass aufgrund der nicht erfolgten Annahme durch den Arbeitnehmer kein Annahmeverzugslohn geschuldet ist. 

Risiko für Arbeitgeber? 

Mit dieser Entscheidung folgt das BAG nicht seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung. Das Gericht nahm bisher an, dass der Annahmeverzug des Arbeitgebers dann ende, wenn der Arbeitnehmer das Angebot einer Beschäftigung während eines laufenden Kündigungsschutzprozesses ablehne. Ab diesem Zeitpunkt galt der Arbeitnehmer als leistungsunwillig. Dieser ständigen Rechtsprechung setzt das BAG – zumindest für den Fall der fristlosen Kündigung – nun entgegen, dass die Ablehnung des Angebots seitens des Arbeitnehmers unschädlich ist, soweit dieses Angebot erkenntlich nicht ernst gemeint ist. 

Arbeitgebern muss demnach bewusst sein, dass sie den Annahmeverzug im Falle einer fristlosen Kündigung gerade nicht dadurch umgehen können, dass sie Arbeitnehmer:innen eine Weiterbeschäftigung im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses anbieten, wenn das Angebot – bereits durch die Umstände der fristlosen Kündigung – erkennbar nicht ernst gemeint ist. Vielmehr birgt diese Vorgehensweise die Gefahr, dass Gerichte auch die fristlose Kündigung für unwirksam erklären. Schließlich erfordert die fristlose Kündigung gerade die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfristen. Diese Unzumutbarkeit wird aber gerade dadurch infrage gestellt, dass Arbeitgeber von sich aus die Weiterbeschäftigung anbieten. 

Die Folgen des Annahmeverzugs können für Arbeitgeber gravierend sein: Die Arbeitnehmer:innen haben einen Nachzahlungsanspruch auf den Annahmeverzugslohn. So müssen Arbeitgeber grundsätzlich das zahlen, was Arbeitnehmer:innen verdient hätten, wenn sie nicht entlassen worden wären.  

Unsere Einschätzung

Die Entscheidung des BAG bestätigt einmal mehr, dass Arbeitgeber besondere Vorsicht bei Kündigungssachverhalten an den Tag legen müssen. Gehaltsnachzahlungen nach Annahmeverzug stellen ein nicht zu unterschätzendes wirtschaftliches Risiko dar. Gerne beraten wir Sie zum Kündigungsrecht und zu den weiteren Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen der Beendigung von Arbeitsverhältnissen.
 

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.3.2023 – 5 AZR 255/22

Michael Huth

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Alexandra Hecht

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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Alexander Kirsch

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht

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