Rechtsprechung zur körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft

Hintergrund

Verpflichtet sich eine Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland (Organgesellschaft) durch einen Gewinnabführungsvertrag (GAV), ihren ganzen Gewinn an ein anderes gewerbliches Unternehmen abzuführen, so ist das Einkommen der Organgesellschaft dem Träger des Unternehmens (Organträger) steuerrechtlich zuzurechnen, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 14 KStG erfüllt sind. Danach muss der Organträger an der Organgesellschaft vom Beginn ihres Wirtschaftsjahres an ununterbrochen in einem solchen Maße beteiligt sein, dass ihm die Mehrheit der Stimmrechte aus den Anteilen an der Organgesellschaft zusteht (so genannte finanzielle Eingliederung). Zudem wird verlangt, dass der GAV auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer auch durchgeführt wird, andernfalls gilt die Organschaft von Anfang an als unwirksam. In zwei aktuell veröffentlichten Urteilen des Bundesfinanzhofs stritten die Kläger über dieses Tatbestandsmerkmal der körperschaftsteuerlichen Organschaft.

Unterbrechung der Organschaft

In dem ersten Urteil vom 10.5.2017 hatte eine AG geklagt, deren Gesellschafter (ED AG, SW AG) am 2.11.2000 eine GbR als so genannte Willensbildungsgesellschaft errichtet hatten, um eine so genannte Mehrmütterorganschaft mit der Klägerin als Organgesellschaft zu bilden. Der GAV sah eine Laufzeit „auf unbestimmte Zeit“ vor und konnte zum Ablauf des 31.12.2006 gekündigt werden. Ab dem Jahr 2003 war die GbR aufgrund einer Gesetzesänderung nicht mehr als Organträgerin anzusehen, gleichwohl bestand der Gewinnabführungsvertrag unverändert fort und wurde auch durchgeführt. Sodann übertrug die SW AG ihren Anteil an der GbR rückwirkend zum 1.1.2005 auf die ED AG (so genannter Anwachsungsfall). In ihrer Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr 2005 ging die Klägerin von einer Organschaft zwischen ihr und der ED AG aus. Dem folgte das Finanzgericht des Saarlandes entgegen der Ansicht des Finanzamts.

Der Bundesfinanzhof vertritt die Ansicht, dass ein zeitweiliges Fehlen der finanziellen Eingliederung lediglich dazu führt, dass die steuerrechtlichen Folgen der Organschaft für diejenigen Jahre, in denen die gesetzlichen Anerkennungsvoraussetzungen nicht vorgelegen haben (2003, 2004), zu versagen sind (partielle Versagung). In den übrigen Jahren (2005) sei die Organschaft anzuerkennen.

Umwandlungssteuerrechtliche Rückwirkungsfiktion

Klägerin im zweiten Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10.5.2017 war die B GmbH, die als Vorratsgesellschaft mit Vertrag vom 9.2.2005 gegründet wurde. Mit Vertrag vom 9.8.2005 erwarb die B Holding GmbH die Anteile an der B GmbH und übertrug Teile ihres Vermögens im Wege der Umwandlung durch Ausgliederung mit Wirkung zum 1.1.2005 auf die B GmbH. Sodann schlossen die B Holding GmbH (Organträgerin) und die B GmbH (Organgesellschaft) einen GAV ab, der für den Zeitraum ab dem 1.1.2005 gelten sollte und erstmals zum Ablauf des 31.12.2009 gekündigt werden konnte. Das Finanzamt war der Ansicht, dass es sich bezogen auf die B GmbH als Organgesellschaft bei dem Wirtschaftsjahr 2005 um ein Rumpfwirtschaftsjahr handelt, das am 9.2.2005 begonnen hat. Damit sei die Voraussetzung der Mindestlaufzeit von fünf (Zeit-)Jahren nicht erfüllt. Die dagegen eingelegte Klage hielt das Finanzgericht Düsseldorf für unbegründet.

Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs liegt keine finanzielle Eingliederung der B-GmbH in die B Holding GmbH im Streitjahr 2005 vor, da die Anteile an der B GmbH im Rückwirkungszeitraum von einem Dritten entgeltlich erworben wurden. Damit unterscheide sich der Sachverhalt von den Konstellationen, in denen eine Mehrheitsbeteiligung an der Organgesellschaft in den Organträger eingebracht wird. In diesen Fällen komme es mit Rücksicht auf die Regelung zum Eintritt der übernehmenden Körperschaft in die steuerliche Rechtsstellung der Überträgerin auf die Anwendbarkeit der umwandlungssteuerrechtlichen Rückwirkungsfiktion auf die Organschaftsvoraussetzungen der finanziellen Eingliederung nicht an.

In Hinblick auf die Berechnung der fünfjährigen Mindestlaufzeit des GAV stellte der Bundesfinanzhof klar, dass die Rückwirkung eines Einbringungsvorgangs einzubeziehen sei, auch wenn sie wie im vorliegenden Fall auf einen Zeitpunkt vor Gründung der Organgesellschaft wirkt. Sollte im zweiten Rechtsgang vom Finanzgericht festgesellt werden, dass die Voraussetzungen für eine Rückwirkungsfiktion vorliegen, hindere die verunglückte finanzielle Eingliederung der Organschaft im ersten Jahr nicht die Anerkennung in den Folgejahren. Damit verweist das Gericht auf seine Rechtsprechungsgrundsätze aus dem ersten erläuterten Urteil.

Hinweis

Die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs sind zu begrüßen. Bislang war höchstrichterlich ungeklärt, ob eine Unterbrechung der Organschaft vor dem Ablauf der Mindestlaufzeit des Vertrags dazu führt, dass die Organschaft nur partiell oder insgesamt (rückwirkend und zukünftig) zu versagen ist (so wohl bislang die Ansicht der Finanzverwaltung). Die Reaktion der Finanzverwaltung auf die Urteile steht noch aus. Die dhpg-Berater halten Sie hier selbstverständlich auf dem Laufenden.

Benno Lange

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

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